Politik

Lage "fragiler" als gedacht? ISW: Schnelle russische Durchbrüche an der Front drohen

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die Ukraine verteilt ihr Material laut ISW wohl dahin, wo die russischen Offensivbemühungen am stärksten sind - zum Nachteil anderer Abschnitte.

Die Ukraine verteilt ihr Material laut ISW wohl dahin, wo die russischen Offensivbemühungen am stärksten sind - zum Nachteil anderer Abschnitte.

(Foto: IMAGO/SNA)

Die russischen Truppen stoßen nur langsam vor. Das erweckt den Eindruck, dass die Ukraine die Lage trotz Munitionsmangels ganz gut im Griff hat. Doch der Schein trügt womöglich: an manchen Abschnitten sind die Truppen katastrophal ausgestattet - und könnten Glück haben, dass Moskaus Truppen dort nicht noch intensiver angreifen.

Laut einer aktuellen Analyse des Instituts für Kriegsstudien (ISW) könnte die Frontlinie fragiler sein "als die relativ langsamen russischen Vorstöße in verschiedenen Sektoren vermuten lassen". Grund dafür sei die Munitions- und Materialknappheit der ukrainischen Streitkräfte durch das fehlende Milliarden-Hilfspaket aus den USA. Denn dadurch müssten Ressourcen priorisiert werden - zum Nachteil mancher Frontabschnitte, die besonders schlecht ausgestattet seien.

Die Ukrainer sind derzeit gezwungen, das wenige Material, das sie haben, so effizient wie möglich einzusetzen, um die permanenten russischen Vorstöße - die je nach Frontsektor unterschiedlich intensiv sind - zu unterbinden. "Die ukrainische Priorisierung der am stärksten durch intensive russische Offensiven bedrohten Sektoren könnte an anderer Stelle Verwundbarkeiten schaffen, welche die russischen Streitkräfte für plötzliche und überraschende Vorstöße ausnutzen könnten", schreibt das ISW.

Die US-Denkfabrik beruft sich dabei auch auf einen Bericht des "Spiegel", in dem ukrainische Kommandeure zu Wort kommen. Darin heißt es, dass es in Gebieten wie Charkiw oder Wuhledar, die sich im Schatten anderer Kriegsschauplätze befinden, besonders schlecht um Personal, Waffen und Munition stehe. Ein Artilleriekommandeur bei Wuhledar sagte: "So werden wir nicht lange durchhalten können." Einige ukrainische Einheiten mit begrenzter Munition und Material könnten ihre aktuellen Positionen nur halten, wenn russische Kräfte nicht "mit voller Kraft angreifen", heißt es in dem Bericht.

Syrskyi: Russen könnten tief vorstoßen

Das ISW warnt: Dass die Russen nicht an den Abschnitten intensiv attackieren, an denen die Ukrainer besonders schlecht ausgestattet sind, könnte die dortigen Risiken "verschleiern". Das heißt mit anderen Worten: starten die Kreml-Truppen an einem solchen Abschnitt eine größere Offensive, könnte dort zum Vorschein kommen, dass die ukrainischen Soldaten wegen des Munitionsmangels nicht in der Lage sind, lange Gegenwehr zu leisten. Der ukrainische Oberbefehlshaber, Oleksandr Syrskyi, warnte auf Telegram, dass es eine Bedrohung durch russische Einheiten gebe, die tief in ukrainische Formationen vorstoßen könnten.

Mehr zum Thema

Laut ISW deuten die Aussagen von Syrskyi und den ukrainischen Kommandanten darauf hin, "dass eine Intensivierung russischer Offensivoperationen zu einem Durchbruch und zur Destabilisierung eines zuvor stabilen Sektors in kurzer Zeit führen könnte."

Das Fazit des ISW lautet: "Die derzeitige Frontlinie ist wahrscheinlich nicht stabil. Zeitnahe westliche Ressourcen für ukrainische Truppen sind wesentlich, um zu verhindern, dass Russland eine Gelegenheit für einen Durchbruch an einem verwundbaren Sektor der Front ausnutzt."

Quelle: ntv.de, rog

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen