Abgeriegelte wehren sich In Madrid liegen die Nerven blank
27.09.2020, 18:40 Uhr
Während die Bewohner Madrids gegen die Abriegelung protestieren, geht der spanischen Zentralregierung der Lockdown nicht weit genug.
(Foto: imago images/Agencia EFE)
Nach Rekordzuwächsen bei den Neuinfektionen steht Madrids Regionalpräsidentin mit dem Rücken zur Wand. Während Bürger aus ärmeren Vierteln sich gegen den Lockdown ihrer Viertel wehren, droht ihr eine Entmachtung durch die spanische Zentralregierung.
In Madrid haben Hunderte Demonstranten gegen die Corona-Auflagen demonstriert, die über Teile der spanischen Hauptstadtregion verhängt wurden. Die Demonstranten versammelten sich vor dem Regionalparlament im südlichen Stadtbezirk Vallecas und forderten den Rücktritt der konservativen Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso. "Das sind keine Beschränkungen - das ist Aussonderung", skandierten die Demonstranten. "Den Reichen erlegen sie keine Beschränkungen auf" stand auf einem Spruchband.
In einer höchst umstrittenen Entscheidung hatte die Regionalregierung am 21. September strikte Corona-Auflagen für die rund 850.000 Bewohner von ärmeren Stadtvierteln vor allem im Süden der Hauptstadtregion verhängt. Von Montag an gelten die Auflagen für weitere 167.000 Einwohner, sodass mehr als eine Million Menschen betroffen sind. Die Menschen dürfen ihre Wohnviertel nur noch für den Weg zur Arbeit, zur Schule oder für den Gang zum Arzt verlassen. Öffentliche Parks sind geschlossen, die Restaurants und Geschäfte müssen um 22 Uhr schließen.
Regionalpräsidentin Díaz Ayuso zieht den Zorn der Betroffenen auf sich, weil sie deren Lebensweise für die schnelle Ausbreitung des Coronavirus in ihren Bezirken verantwortlich machte. In den abgeriegelten Vierteln wurden zuletzt täglich mehr als tausend Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gezählt. Landesweit wurden in Spanien seit Beginn der Pandemie mehr als 700.000 Corona-Infektionen und rund 31.000 Todesfälle registriert. Der Großraum Madrid gehört zu den am schwersten von der Corona-Pandemie betroffenen Regionen Europas.
Spanische Regierung erwägt Intervention
Angesichts der hohen Ansteckungsdynamik prüft die spanische Regierung Medienberichten zufolge, die Hauptstadt auch gegen den Willen der Regionalregierung noch strikter abzuriegeln. Dies werde dann unvermeidlich, wenn die Regionalregierung nicht einlenke und die Maßnahme selbst ergreife, haben die Zeitung "El País" und der Fernsehsender RTVE am Samstagabend unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Das würden die Gesetze für den Fall einer akuten Gesundheitskrise erlauben.
Ein Durchgreifen der linken Zentralregierung gegen die konservative Regionalregierung könnte allerdings den ohnehin sehr aggressiven Dauerstreit zwischen beiden Lagern noch einmal erheblich verschärfen. Eine offizielle Bestätigung der Pläne gab es zunächst nicht.
Die konservative Regionalpräsidentin Ayuso weigert sich bisher wegen der Folgen für die Wirtschaft, die ganze Stadt abzuriegeln. Am Freitag hatte sie deshalb entgegen des dringenden Rates der linken Zentralregierung nur acht weitere Gebiete der Stadt mit besonders hohen Corona-Werten unter eine Teilabriegelung gestellt. Bereits seit Montag galt diese Anordnung für 37 Gebiete. Gesundheitsexperten kritisieren diese bisher ergriffenen Maßnahmen als unzureichend und unwirksam.
Quelle: ntv.de, mau/dpa