Politik

Der Winter wird kaltIn der Ukraine ist Trump mittlerweile so beliebt wie Putin

23.12.2025, 16:05 Uhr 5UbL9d25-400x400Von Denis Trubetskoy, Kiew
00:00 / 10:05
23-12-2025-Ukraine-Kiew-Menschen-gehen-waehrend-eines-russischen-Drohnenangriffs-in-einer-Metrostation-die-als-Bunker-genutzt-wird-in-Deckung
Am Dienstag suchen Menschen während eines russischen Drohnenangriffs auf Kiew Schutz in einem U-Bahnhof. (Foto: dpa)

Über die Weihnachtsfeiertage soll es in der Ukraine kalt werden - auch deshalb dürfte Russland seine Angriffe verstärkt haben. Zugleich geht es Putin darum, die Unzufriedenheit im Land zu befeuern.

Die Art und Weise, wie Russland der Ukraine frohe Weihnachten wünschte, war wie immer in den letzten Jahren eigenartig. 673 Drohnen und Raketen wurden in der Nacht auf den 23. Dezember wieder überwiegend gegen die ukrainische Energieinfrastruktur eingesetzt. Konzentriert wurden die Angriffe auf Stromtrassen der zwei westukrainischen Atomkraftwerke, die seit 2022 den Großteil des Stroms in der Ukraine produzieren. Der Zeitpunkt des Beschusses wurde sicher nicht zufällig ausgewählt.

Dabei geht es nicht nur darum, dass die Ukraine seit Beginn des russischen Überfalls das Weihnachtsfest am 25. Dezember feiert - und nicht mehr am 7. Januar wie in Russland. Für beide Weihnachtsfeiertage sind in der Ukraine erstmals in diesem Winter bedeutende Minusgrade vorhergesagt, was automatisch einen größeren Stromverbrauch bedeutet. Schon jetzt müssen die Menschen in Kiew, die von einem der beiden Atomkraftwerke abhängen, mindestens die Hälfte des Tages ohne Strom auskommen. Einzelne Stadtteile bleiben regelmäßig bis 16 bis 17 Stunden dunkel und kalt.

Dass sich die Situation in den kommenden Wochen und Monaten verbessert, ist nahezu ausgeschlossen. Es ist eher umgekehrt: Die meisten gehen davon aus, dass die Lage noch schlimmer wird. Zumal Januar und Februar in der Ukraine in der Regel deutlich kälter als der Dezember sind. Die massiven Stromausfälle dürften bis mindestens April andauern. Hoffnungen werden neben der eigenen Flugabwehr vor allem auf das Wetter gesetzt. In den vergangenen Jahren fielen die Temperaturen vergleichsweise mild aus.

Putin will das Land spalten

Neben dem Ziel, die Ukrainer im Winter frieren zu lassen, verfolgt Russland mit der aktuellen Angriffswelle ein weiteres Vorhaben. Wie bei allen sensiblen Themen, von der Mobilmachung bis hin zu während des Krieges kaum durchführbaren Wahlen, geht es dem Kreml darum, die ukrainische Bevölkerung zu spalten. Aktuell sind alle ukrainischen Regionen von Stromabschaltungen betroffen. Infolge der russischen Angriffe sind die Ausfälle in der Westukraine jedoch geringer, weil dort hauptsächlich Infrastruktur bombardiert wird, die für die Übertragung des Stroms in andere Regionen verantwortlich ist.

Das absolute Traumszenario wäre für Moskau, dass links und rechts des Flusses Dnipro unterschiedliche Bedingungen mit Blick auf die Stromversorgung herrschen. Ganz grob gesprochen: Während die einen nur etwa sechs Stunden pro Tag auf Elektrizität verzichten müssen, sollen die anderen so gut wie keinen Strom haben, um hier Unzufriedenheit und Streit auszulösen. Besonders erfolgreich war diese Strategie bisher nicht, zumal die Ukrainer in den vergangenen Jahren gezwungen waren zu lernen, wie man ohne Strom auskommt. Unterschätzen sollten man sie aber auch nicht. In sozialen Medien wird durchaus über die ungerechte Stromverteilung geklagt.

Ohnehin gibt es Menschen, die bereits seit dem ersten Kriegswinter 2022/2023 die These verbreiten, in der Ukraine gebe es Ausfälle, weil der Strom heimlich in die EU exportiert werde. Dabei kann jeder mit eigenen Augen sehen, was die tatsächlichen Gründe sind. Die Spekulationen werden zusätzlich durch die jüngsten Korruptionsenthüllungen befeuert, bei denen es prominent um Machenschaften im ukrainischen Energiesektor geht. Eine der unangenehmsten Folgen dieser Entwicklung: Der Ruf der Energiebetreiber und ihrer heldenhaften Mitarbeiter, die seit Jahren unter russischem Beschuss beinahe Unmögliches leisten, ist angekratzt.

Wie sähe die Lage mit stärkerer Unterstützung aus?

Die unterschiedlichen Probleme, gegen welche die Ukraine im Energiebereich kämpfen muss, sind nur ein Aspekt der vielen Herausforderungen fast vier Jahre nach Beginn des russischen Vollangriffs. Fast in allen Bereichen heißt es weiterhin: Russland kann seine eigentlichen Ziele nicht erreichen, doch die Lage ist äußerst besorgniserregend und in Teilen gefährlich. Vor allem gilt dies für die Front, von der auch Ende 2025 so gut wie alles entscheidend abhängt.

Wladimir Putin hatte sich die Militärkampagne in diesem Jahr anders vorgestellt - und seinen Invasionstruppen mit Blick auf die schwindende Unterstützung aus den USA höhere Ziele gesetzt. Ein entscheidender Durchbruch ist der russischen Armee jedoch nicht gelungen. Auch im Donbass nicht, von dessen voller Besatzung er träumt. Allerdings behält Russland die strategische Initiative, übt großen Druck auf das Gebiet Saporischschja aus, weitet den Krieg auf andere Regionen wie Dnipropetrowsk aus - und ist weiterhin der Meinung, im langen Zermürbungskrieg gegen die Ukraine den längeren Hebel zu haben.

Von großen militärischen Siegen träumt in Kiew daher niemand mehr - trotz der jüngsten Erfolge bei der logistisch wichtigen Stadt Kupjansk in der Region Charkiw. Die Probleme, die die Ukraine mit der Mobilisierung, der Waffenausstattung und der Finanzierung der Armee hat, sind gewaltig und für alle sichtbar. Viele Ukrainer fragen sich: Hätte Russland diese Erfolge auch dann erreicht, wenn die US-Unterstützung zumindest auf dem Niveau der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden geblieben wäre?

Trump mittlerweile ähnlich beliebt wie Putin

Über die Antwort darauf lässt sich lange streiten. Klar ist, dass der Weg zum lang ersehnten Waffenstillstand zu akzeptablen Bedingungen über die längerfristige Stabilisierung der Front führt. Faktisch befindet sich der Krieg aber in einem dauerhaften Halbzustand, der sich wohl auch 2026 kaum ändern wird: Es ist nicht in Sicht, dass die Frontlinie auf der ukrainischen Seite zusammenbricht. Ebenfalls ist nicht damit zu rechnen, dass der langsame Vormarsch der russischen Truppen in absehbarer Zeit endet.

Umso größer ist der Frust mit US-Präsident Donald Trump, in den anfangs - nach dem Motto "Vielleicht ändert sich doch etwas" - leise Hoffnungen gesetzt worden waren. In der Ukraine ist er inzwischen ähnlich unbeliebt wie Putin oder der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko. Trumps Friedenslogik, in der es vor allem darum geht, die weiterhin faktisch unterstützte Seite unter Druck zu setzen, wird weitestgehend als schizophren eingeschätzt.

Zwei Drittel der Ukrainer sind für Waffenstillstand

Die öffentliche Meinung in der Ukraine lässt sich in Zeiten des Krieges nur schwer ermitteln. Gerade bei Männern im wehrpflichtigen Alter, die jederzeit eingezogen werden könnten und das Land nicht verlassen dürfen, kann man nicht immer davon ausgehen, dass sie sagen, was sie wirklich denken. Auch die wahre Meinung der Soldaten lässt sich nur schwierig ermitteln. Schließlich dienen in den ukrainischen Verteidigungskräften rund eine Million Menschen.

Wenn man aber im Verlauf des Jahres unterschiedliche Umfragen mit unterschiedlichen Fragestellungen verfolgt hat, weiß man ungefähr, wohin die Reise grundsätzlich geht. Mehr als zwei Drittel der Ukrainer befürworten einen baldigen Waffenstillstand, aber nicht zu allen Bedingungen. Sollte die Bedingung also etwa sein, dass die ukrainischen Streitkräfte freiwillig die gut ausgebauten Verteidigungsstellungen im Norden der Region Donezk räumen müssen, kommt dies für ungefähr die gleiche Anzahl der Menschen nicht infrage.

Denn die andere Frage wäre dann, was darauf als Nächstes folgen würde - abgesehen von der Tatsache, dass die Ukraine Hundertausende der russischen Herrschaft ausliefern würde. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis Russland die Räumung der anderen teilbesetzten Gebiete Cherson und Saporischschja fordern würde, die seit Herbst 2022 ebenfalls in der russischen Verfassung reinbeschrieben sind. Mit russischen Verhandlungsfallen kennt sich die Ukraine seit den Verhandlungen zur Beilegung des ursprünglichen Donbass-Krieges bestens aus.

Hoffnung für 2026

Die schwierigen Beziehungen mit der amtierenden US-Administration hatten für die Ukraine allerdings auch positive Auswirkungen. So war es für Präsident Wolodymyr Selenskyj innenpolitisch ein äußerst schweres Jahr. Im Sommer führte der letztlich gescheiterte Versuch, die Unabhängigkeit der Antikorruptionsorgane einzuschränken, zu den ersten größeren Straßenprotesten seit 2022. Ende des Jahres wurde Selenskyj durch die Korruptionsenthüllungen im Rahmen der Operation "Midas" geschwächt, die seinen ehemaligen Vertrauten, den Geschäftsmann Tymur Minditsch, betrafen und letztlich für die Entlassung der rechten Hand Selenskyjs, des mächtigen Kanzleichefs Andrij Jermak, sorgten.

Der riesige Druck aus den USA, sei es nach dem Eklat im Oval Office am 28. Februar oder nach den Diskussionen um Trumps 28-Punkte-"Friedensplan", führte jedoch stets zur Steigerung der Vertrauenswerte des Präsidenten. Dabei geht es nicht um seine Person und seine politische Zukunft, die nach dem Krieg enden dürfte. Es geht um Zusammenhalt: Zu oft endeten innere Streitereien in der ukrainischen Geschichte in Katastrophen. Das ist Ende 2025 nicht abzusehen, allen russischen Destabilisierungsversuchen zum Trotz. Der Ukraine gibt das Hoffnung für 2026 - dem Jahr, in dem das fünfte Kriegsjahr anbrechen wird.

Quelle: ntv.de

Donald TrumpAngriff auf die UkraineWladimir PutinUkraineKiew