Politik

Iran, die Saudis und der Terror "In ihrer Paranoia schüren sie viele Brände"

Der mit dem Schwert tanzt: US-Präsident Trump bestärkt die Saudis bei seinem Besuch in ihrem Kurs.

Der mit dem Schwert tanzt: US-Präsident Trump bestärkt die Saudis bei seinem Besuch in ihrem Kurs.

(Foto: REUTERS)

Anschläge im Iran, Streit unter den Golfstaaten: "Die Lage ist brandgefährlich", sagt der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour im Interview mit n-tv.de. Und er glaubt: Die Situation wird sich weiter verschärfen.

n-tv.de: Am Mittwoch haben IS-Terroristen erstmals im Iran Anschläge verübt – ausgerechnet in einer Zeit großer Spannungen in der Region. Ist das Zufall?

Omid Nouripour: Ich hoffe es. Was sicherlich kein Zufall war, ist das Anschlagsziel. Der Iran ist der natürliche Erzfeind des IS -  wegen der Glaubensunterschiede und der Militäraktionen in Syrien und im Irak. Diese treffen den IS hart. Je mehr er an Boden verliert, desto mehr verlegt er sich auf Terroranschläge. Dass er es geschafft, ein Netzwerk im Iran aufzubauen, ist erstaunlich. Schließlich ist der Iran nicht nur ein Polizeistaat, sondern war bisher auch weitgehend resilient gegenüber dem IS, nicht zuletzt aufgrund der sprachlichen Unterschiede. Für eine zutiefst arabische Organisation ist es deutlich einfacher, in einem arabischen Land zu operieren als im persischen Iran.

Der Iran bezichtigt die Saudis und die USA der Tat. US-Präsident Donald Trump dagegen sagt, Staaten, die Terrorismus unterstützten, liefen eben Gefahr, "dem Bösen zum Opfer zu fallen, das sie fördern". Was bedeutet die Einmischung der USA?

Die Lage ist brandgefährlich. Für die Hardliner im Iran ist es offenkundig, dass die Terroristen des Islamischen Staates eine Marionette der Saudis sind und die Saudis wiederum eine Marionette der USA. Deshalb war es zu erwarten, dass Teile des Regimes in Teheran die USA beschuldigen würden, hinter dem Anschlag zu stecken. Dass Trump direkt darauf antwortet, ist nicht unbedingt deeskalierend. Es zeugt außerdem von mangelndem Respekt vor den Opfern. Man kann davon ausgehen, dass es eine Reaktion auf den Anschlag geben wird. Die Situation wird sich weiter verschärfen.

Müssen wir nun mit einer direkten Konfrontation zwischen dem Iran und Saudi-Arabien rechnen?

Diese Gefahr gab es stets, jetzt ist sie ein Stückchen größer geworden. Eine militärische Auseinandersetzung würde beide Länder um Jahrzehnte zurückwerfen. Deshalb hoffe ich, dass am Ende die Vernunft doch gewinnt. Wobei das in dem Falle auch bedeuten könnte, dass Saudi-Arabien und Iran ihre Stellvertreterkriege auf Kosten mancher Nachbarstaaten umso mehr betreiben.

Welche Motive stecken hinter der derzeitigen Eskalation?

Die derzeitige Eskalation hat sehr viel mit der Reise von Trump nach Saudi-Arabien zu tun, auch wenn sie nicht der einzige Grund ist. Trump hat den Saudis, die bis an die Zähne bewaffnet sind,  sehr klar das Gefühl vermittelt, dass sie schalten und walten können, wie sie wollen. Das ist eine unheilvolle Verschiebung der Machtverhältnisse.

Sowohl der Iran als auch Saudi-Arabien erklären, dass die jeweils andere Seite den Terrorismus unterstützt. Wer hat recht?

Omid Nouripour ist außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Omid Nouripour ist außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Iran und Saudi-Arabien sind beide Teil des Problems in Nahost. In ihrer gegenseitigen Paranoia schüren sie große Brände in viele Staaten. Im Jemen sind die Saudis die Hauptverantwortlichen für die humanitäre Katastrophe, in Syrien spielt der Iran eine fatale Rolle. Es gibt allerdings einen sehr zentralen Unterschied zwischen beiden Ländern: Die Saudis sind diejenigen, die den Wahabismus und Salafismus unterstützen und finanzieren, auch in unseren Fußgängerzonen. Das darf man bei aller berechtigten Schuldzuweisung in Richtung Iran nicht vergessen.

Und der Vorwurf, Katar unterstütze den Terror?

Der ideologische Unterschied zwischen Katar, einem wahabitischen Staat, und Saudi-Arabien, einem weiteren wahabitischen Staat, ist marginal. Katar hat immer wieder versucht, sich eine bedeutendere Rolle innerhalb des Golfkooperationsrats zu verschaffen, was die Saudis sehr hart sanktioniert haben. Manche sagen, dass sie den Emir abgesetzt und dessen Sohn an seiner statt eingesetzt haben. Dieser alte Emir scheint als Scheich noch eine große Rolle zu spielen und viel Einfluss auszuüben.

Die Gründe für den Konflikt sind also älter?

Ein Grund für den Konflikt ist die Rolle Katars in Ägypten und die Unterstützung der Muslimbruderschaft. Der andere Grund ist, dass die Saudis seit Langem eine stärkere US-Militärpräsenz in ihrem Land haben wollen, am liebsten in der Ostprovinz, in der es eine schiitische Mehrheit gibt – was im übrigen zu größerem Unfrieden im Land führen würde. Deshalb versuchen sie die Amerikaner davon zu überzeugen, dass Katar nicht verlässlich ist.

Deutsche Politiker wie Unionsfraktionschef Volker Kauder fordern nun, Katar als Gastgeber der Fußball-WM 2022 in Frage zu stellen. Ist diese Diskussion sinnvoll?

Die Diskussion ist in der Sache sinnvoll, aber der Zeitpunkt ist wirklich merkwürdig. Ich habe in den letzten Jahren nicht besonders viel Kritik gehört von Herrn Kauder Richtung Katar. Der Hauptgrund, warum man die WM dorthin niemals hätte vergeben dürfen, sind nicht die scheinheiligen Vorwürfe Saudi-Arabiens, sondern die gravierende Menschenrechtssituation der Gastarbeiter, die die Fußballstadien dort bauen.

Wie sollte der Westen überhaupt angesichts der Krise in der Region reagieren?

Mit Distanz. Wir müssen aufhören, Saudi-Arabien einen strategischen Partner zu nennen und den Iran zu verteufeln. Oder zu fordern: Lasst uns doch den einen strategischen Partner durch einen anderen ersetzen. Wir müssen mit beiden Seiten mit der gebotenen Distanz reden, mit beiden in begrenztem Maß kooperieren. Aber wir dürfen weder den Iran verklären noch Saudi-Arabien Waffen verkaufen.

Mit Omid Nouripour sprach Gudula Hörr.

Quelle: ntv.de

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