Wer gewinnt die Medienschlacht? Israel bereitet sich auf Krieg mit Libanon vor
16.12.2018, 17:37 Uhr
Israelische Soldaten sichern die Arbeiten von Pionieren, die derzeit ein Sperrwerk an der Grenze zum Libanon errichten.
(Foto: AP)
Die Spannungen an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon steigen beständig. Israelische Soldaten gehen gegen Tunnelsysteme der Hisbollah vor. Und beide Seiten bereiten auch Strategien auf einem anderen Schlachtfeld vor.
Die Spannungen an der israelischen Nordgrenze wachsen. Auch wenn die Entdeckung der Tunnelsysteme der radikal-islamischen Hisbollah durch die israelischen Streitkräfte an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel noch zu keiner Eskalation führte, so sind sich viele Experten einig: Der nächste Krieg steht kurz bevor. Beschränkte sich die Militäroperation "Nördliches Schild" bis jetzt auf israelisches Territorium, so hat sie jetzt eine kritische Phase erreicht. Neben dem Kibbuz Misgav müssen Einheiten des israelischen Ingenieurkorps ihre Arbeit in Enklaven nördlich des Grenzzauns fortsetzen, wo nur ein Stacheldraht die beiden Erzfeinde trennt und ihnen libanesische Militärpatrouillen direkt gegenüberstehen. Die Lage ist angespannt und jeder kleine Fehler könnte einen ungewollten Zwischenfall auszulösen.
"Als sich unsere Armee nach 22 Jahren im Mai 2000 aus dem Südlibanon zurückzog, haben wir uns an der sogenannten blauen Linie reorganisiert", sagt Major Eli Marciano, Kommandeur eines israelischen Militärstützpunktes auf den Golanhöhen. Diese internationale, von den Vereinten Nationen anerkannte Grenze hinterließ 13 Enklaven, die zu Israel gehören. "Nach dem zweiten Libanonkrieg 2006, den die UN-Resolution 1701 beendete, haben wir darauf bestanden, eine militärische Präsenz dort aufrechtzuerhalten, was zu territorialen Streitigkeiten führte", erzählt Marciano. Dieser Konflikt hat sich im vergangenen Jahr intensiviert, weil Israel an der Grenze eine Mauer gebaut hat.

Israel verstärkt die Grenze zum Libanon mit einer Mauer, die sich über eine Länge von 130 Kilometern erstreckt.
(Foto: AP)
Die Hisbollah (arabisch: Partei Gottes) wurde 1985, drei Jahre nach der israelischen Invasion des Libanon, als der Bürgerkrieg dort seinen Höhepunkt erreichte, mit iranischer Hilfe gegründet. Bis heute unterstützt Teheran die Miliz. Darüber hinaus finanziert sich die Organisation über ein weltweites Netzwerk mit Drogenhandel und Geldwäsche. Mit schätzungsweise 150.000 Raketen, die auf Israel gerichtet sind, ist die Hisbollah mittlerweile eine der gefährlichsten Bedrohungen für das israelische Militär in der Region geworden. Geheimdienstberichten zufolge half der Iran dabei, präzisionsgelenkte Raketen zu entwickeln, mit denen jeder Ort des Judenstaats erreicht werden kann.
Hisbollah hat sich zu "richtiger Armee" entwickelt
Durch die Intervention der Hisbollah im syrischen Bürgerkrieg erweiterte sich die Kampfzone der Miliz, was zu wiederholten israelischen Angriffen auf Waffendepots und -kräfte der Gotteskrieger führte. Der Iran unterstützt das Regime von Diktator Baschar al-Assad in Damaskus mit seinen Truppen und strebt eine permanente militärische Präsenz in Syrien an. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu sieht das als Überschreitung einer roten Linie an.
"Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet", sagt Hauptmann Liras Ackerman von der Golani-Brigade, der mit seiner Infanterieeinheit die Grenze überprüft. "Niemand weiß, was als Nächstes passiert. Wir befürchten einen Mehrfrontenkrieg mit vielen Akteuren." Die geopolitischen Interessen der USA und Russland könnten bedroht werden und beide Weltmächte in Kampfhandlungen verwickeln. "Der Charakter eines Waffengangs wird auch von seinem Zeitpunkt beeinflusst", erklärt Ackerman. "Ein Krieg jetzt könnte sich von einem im Jahr 2025 erheblich unterscheiden."
"Die Hisbollah ist der verlängerte Arm des Iran. Dort ist die Vernichtung Israels Staatsdoktrin ist", sagt Eyal Moreno, ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter und jetzt Berater im israelischen Sicherheitskabinett. "Während des syrischen Bürgerkrieges haben sie trotz hoher Verluste viel Erfahrung gewonnen und sich zu einer richtigen Armee entwickelt."
Der militärische Einfluss Teherans erstreckt sich über viele Regionen des Nahen und Mittleren Ostens, darunter auch den Gazastreifen mit der radikalen Palästinenserorganisation Hamas. Israel sieht sich von fast allen Seiten bedroht. "Das Schachspiel wurde ja im alten Persien erfunden", sagt Moreno und lächelt. "Und die Machthaber im Iran wollen uns Schachmatt zu setzen. Dabei vergessen sie aber, dass wir Juden viel bessere Experten in diesem Brettspiel haben als sie." Moreno zufolge erwägen einige Sicherheitsberater einen Präventivschlag wie im Sechstagekrieg 1967. "Diese Strategie hätte den Vorteil, als strategischer und psychologischer Sieger dazustehen."
"Die nächste Auseinandersetzung: ein Informationskrieg"
Das jüdische Institut für die nationale Sicherheit Amerikas (Jinsa) veröffentlichte erst kürzlich einen Bericht über eine mögliche Eskalation an der Nordgrenze Israels, in dem ausführlich die Kampfkraft der israelischen Streitkräfte und ein möglicher Waffengang gegen die Hisbollah analysiert wurden. In dem Bericht "Israels nächster nördlicher Krieg: Operative und rechtliche Herausforderungen" kommen ehemalige US-Verteidigungsbeamte zu dem Ergebnis, das ein weiterer Krieg mit dem Libanon beispiellose Zerstörungen und eine noch nicht da gewesene Zahl von Todesopfern auf beiden Seiten fordern würde.
Die Hisbollah weiß, dass sie Israels Armee nicht auf dem Schlachtfeld besiegen kann. Zwar könnte sie 1500 Raketen täglich auf den Judenstaat niederregnen lassen. Aber ihr Traum der Eroberung Galiläas bleibt wohl reine Propaganda. Ihr geht es um politisch-psychologische Kriegsführung. Denn ein wichtiger Faktor im Kriegsfall ist die Informationsstrategie und der Kampf um die völkerrechtliche Legitimität. "Die nächste Auseinandersetzung wird ein Informationskrieg werden", erzählt Moreno. Als einer der Ersten bemängelte er die schwache Medienpräsenz der israelischen Armee in den letzten Kriegen im Libanon und Gaza. "Dass die Hisbollah und Hamas mit ihrer Lügenpropaganda die internationale öffentliche Meinung beeinflussen, werden wir versuchen zu verhindern."
Laut dem Harvard-Professor Joseph Nye geht es bei Konflikten im 21. Jahrhundert nicht mehr nur darum, welche Armee auf dem Schlachtfeld erfolgreich ist, sondern welche Seite den medialen Krieg gewinnen kann. Der Hisbollah-Kanal "Al-Manar" arbeitet schon jetzt an der öffentlichen Wahrnehmung - gegen Israel. Und auch Israels Armee hat Lehren aus Versäumnissen der Vergangenheit gezogen. Ihr Sprecher für die arabische Welt, Avichay Adraee, baut derzeit eine starke Präsenz in den sozialen Medien auf.
Quelle: ntv.de