Baerbock für humanitäre Pausen Israel öffnet Fluchtkorridore, verkündet "taktische" Kampfpause
11.11.2023, 12:48 Uhr Artikel anhören
Für "humanitäre Zwecke" will Israel im Flüchtlingsviertel Dschabalia im Gazastreifen die Kämpfe einstellen. Die Bewohner sollen sich über zwei Routen in den Süden des Gebiets begeben. Derweil reist Außenministerin Baerbock zu Krisengesprächen nach Riad.
Israels Armee hat den Bewohnern im Norden des heftig umkämpften Gazastreifens erneut zwei sichere Fluchtkorridore in Richtung Süden in Aussicht gestellt. Für das Flüchtlingsviertel Dschabalia wurde zudem eine "taktische" Pause der Kämpfe verkündet. Die "militärischen Aktivitäten" sollen in dem Viertel im Norden des Küstenstreifens zwischen 10 Uhr und 14 Uhr (9 Uhr bis 13 Uhr MEZ) für "humanitäre Zwecke" ausgesetzt werden, teilte das Militär auf der Plattform X mit.
Die Bewohner sollen das Zeitfenster den Angaben zufolge auch dafür nutzen, um sich in den Süden des Küstengebiets zu begeben. Die Armee will den Angaben nach auf einer bereits in der Vergangenheit genutzten Route sicheres Geleit für insgesamt sieben Stunden gewähren. "Bitte schließen Sie sich zu Ihrer Sicherheit den Hunderttausenden Einwohnern an, die in den letzten Tagen in den Süden gezogen sind", schrieb ein Armeesprecher auf Arabisch auf X.
Außerdem könnten die Menschen auch einen zweiten Weg an der Küste für die Flucht in den Süden nutzen, hieß es weiter. Die Armee bat die Zivilisten zugleich, sich bei ihnen zu melden, sollte die Hamas sie an der Flucht hindern. Das Militär gab dafür unter anderem eine Telefonnummer an. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats in den USA, John Kirby, hatte jüngst mitgeteilt, Israel habe täglichen, vierstündigen humanitären Pausen im nördlichen Teil des Gazastreifens zugestimmt.
Auch im Süden des Gazastreifens kam es bereits wiederholt zu israelischen Luftangriffen. Nach Darstellung der Armee gibt es dort in den für die Zivilbevölkerung ausgewiesenen Gebieten ausschließlich gezielte Attacken auf Führer der Hamas. Die Menschen leben dort unter prekären Umständen. Hilfsorganisationen sprechen von einer humanitären Katastrophe.
Baerbock im Nahen Osten
Derweil warb Außenministerin Annalena Baerbock bei ihren Krisengesprächen in Saudi-Arabien erneut für humanitäre Feuerpausen zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen. Es habe bei den Gesprächen mit Vertretern Katars und Saudi-Arabiens Einigkeit bestanden, "dass es humanitäre Feuerpausen braucht, die auch Versorgung mit humanitärer Hilfe erlauben", hieß es im Anschluss aus Kreisen der Delegation der Außenministerin. Einig sei man sich auch darüber gewesen, dass es Frieden für Palästinenser und Israelis nur mit einer Perspektive auf eine Zweistaaten-Lösung geben könnte, hieß es weiter. Zudem sei die geteilte Sorge deutlich geworden, dass es ein Übergreifen der Gewalt auf das Westjordanland geben könne.
Baerbock hatte am Freitagabend in Abu Dhabi - der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate - gesagt, sie höre dieser Tage immer wieder Rufe nach einem allgemeinen Waffenstillstand. "Ich verstehe den Impuls. Aber zur Wahrheit gehört auch: Wer jetzt in diesem Moment einen allgemeinen Waffenstillstand fordert, muss auch sagen, was das für die Stärke der Hamas, für das Schicksal der über 200 Geiseln bedeutet", ergänzte die Grünen-Politikerin. Wer nun einen allgemeinen Waffenstillstand fordere, müsse auch sagen, was dies für die Sicherheit Israels bedeute. Sie habe sich gemeinsam mit ihren internationalen Kollegen in den vergangenen Tagen und Wochen energisch für humanitäre Pausen eingesetzt, sagte Baerbock am Freitagabend. "Dass Israel hier nun einen ersten Schritt geht, ist wichtig und richtig".
Saudi-Arabien und die Emirate sind wie Katar einflussreiche mögliche Vermittler, etwa wenn es um die Befreiung der Hamas-Geiseln und eine künftige Friedenslösung geht. Die islamistische Hamas hatte bei ihrem Angriff auf Israel nicht nur 1200 Menschen ermordet, sondern auch etwa 240 Geiseln genommen. Nach Angaben der Familien haben etwa 20 der Verschleppten auch den deutschen Pass.
Quelle: ntv.de, mli/dpa