Brüchige Waffenruhe Israelische Soldaten töten mindestens 15 Menschen im Libanon
26.01.2025, 16:13 Uhr Artikel anhören
Anwohner, die auf die Rückkehr in ihre Häuser gehofft hatten, sammeln sich an einer Absperrung unweit israelischer Stellungen im Südlibanon.
(Foto: REUTERS)
Im Zuge der Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah sollten heute alle Bewohner in den Süden des Libanon zurückkehren können. Doch die Israelis sind nicht wie vereinbart abgezogen. Beide Seiten werfen sich vor, die Bedingungen des Abkommens verletzt zu haben.
Nach Ablauf einer entscheidenden Frist im Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon sind durch israelischen Beschuss im Südlibanon nach libanesischen Angaben mindestens 15 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Das Gesundheitsministerium in Beirut erklärte, israelische Soldaten hätten auf zurückkehrende Bewohner mehrerer Dörfer geschossen. Tote und Verletzte gab es demnach in Hula und Kfar Kila. Die israelische Armee warnte Bewohner vor einer Rückkehr ins Grenzgebiet.
Am heutigen Sonntag lief die 60-tägige Frist für den Abzug israelischer Truppen aus dem Südlibanon ab. Israel hatte am Freitag aber mitgeteilt, dass israelische Soldaten vorerst weiter im Südlibanon stationiert bleiben. Als Grund gab das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu an, das Ende November geschlossene Abkommen sei vom Libanon nicht "vollständig erfüllt" worden. Die libanesische Armee erklärte dagegen wiederum, die Verzögerungen bei der Umsetzung des Abkommens seien "auf den zögerlichen Rückzug des israelischen Feindes zurückzuführen".
Obwohl das Abkommen nicht umgesetzt ist, versuchten am Morgen Hunderte Menschen, in ihre Dörfer im Südlibanon zurückzukehren. Konvois aus Dutzenden Autos fuhren auf mehrere Dörfer zu. Einige Insassen schwenkten die gelbe Fahne der Hisbollah. Der für die Kommunikation auf Arabisch zuständige Sprecher der israelischen Armee, Avichay Adraee, warnte die Bewohner von mehr als 60 Ortschaften im Südlibanon - darunter Hula und Kfarkela - vor einer Rückkehr.
Israel wartet auf Hisbollah-Rückzug
Die israelische Armee hat sich seit Inkrafttreten der Waffenruhe aus den Küstengebieten im Süden des Libanon zurückgezogen, israelische Soldaten sind aber noch in weiter östlich gelegenen Gebieten vertreten. Netanjahus Büro hatte zuvor erklärt, der Rückzug der Armee hänge davon ab, ob die libanesische Armee das Waffenruhe-Abkommen "tatsächlich umsetze" und die Hisbollah sich wie vereinbart hinter den Fluss Litani zurückziehe.
Die Vereinten Nationen erklärten ebenfalls, die Bewohner der Grenzgebiete könnten bislang nicht zurückkehren. "Wie wir heute morgen tragischerweise erlebt haben, sind die Bedingungen für eine sichere Rückkehr der Bürger in ihre Dörfer entlang der Blauen Linie noch nicht hergestellt", erklärte die UN-Sonderkoordinatorin für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert, gemeinsam mit der UN-Friedensmission für den Libanon (Unifil). Die Unifil rief die israelische Armee auf, auf libanesischem Staatsgebiet "nicht auf Zivilisten zu schießen". "Jegliche weitere Gewalt" berge die Gefahr, die "fragile Sicherheitslage in der Region" zu gefährden. An Zivilisten erging die Aufforderung, den Anweisungen der libanesischen Armee Folge zu leisten.
Der israelische Armeesprecher Adraee sprach von "Warnschüssen", die abgefeuert worden seien, um "Bedrohungen in mehreren Gebieten zu beseitigen, in denen Verdächtige identifiziert wurden, die sich den Truppen näherten". Zudem hätten die Soldaten "Verdächtige festgenommen".
Die Waffenruhe zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Hisbollah war am 27. November in Kraft getreten. Zuvor hatten sich beide Seiten zwei Monate lang mit großer Härte bekämpft. Seit Inkrafttreten der Waffenruhe beschuldigen sich beide Seiten regelmäßig, diese zu verletzten. Das Abkommen sah eigentlich vor, dass die israelische Armee den Südlibanon innerhalb von 60 Tagen schrittweise verlässt. Die Hisbollah soll sich ebenfalls aus dem Grenzgebiet bis hinter den Fluss Litani zurückziehen und ihre militärischen Stützpunkte auflösen. Lediglich die libanesische Armee und Soldaten der UN-Friedenstruppe im Libanon (UNIFIL) sollen demnach vor Ort verbleiben.
Auslöser der heftigen Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah waren ständige Raketenangriffe der Hisbollah auf Israel gewesen, die einen Tag nach dem Großangriff der mit der Hisbollah verbündeten Terrororganisation Hamas von Gaza aus auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen hatten.
Quelle: ntv.de, mbo/AFP