Abhängig von Libyen? Italien lässt mutmaßlichen Kriegsverbrecher laufen
23.01.2025, 10:44 Uhr Artikel anhören
Anfang der Woche reiste Meloni zum Treffen der rechtspopulistischen Regierungschefs nach Washington, zur Inauguration von Trump.
(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)
Die italienische Regierung lässt einen Libyer ausreisen, der vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen gesucht wird. Ministerpräsidentin Meloni schweigt zu dem Vorfall. Der Verdacht liegt nahe, dass Italien es sich mit Libyen nicht verscherzen will.
Nach der Festnahme und anschließenden Freilassung eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers steht die italienische Regierung in der Kritik. Am Wochenende hatte die italienische Polizei den Chef der libyschen Kriminalpolizei, Osama Najeem, nach einem Hinweis von Interpol festgenommen.
Najeem wird aufgrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen gesucht. Er ist nicht nur Kripo-Chef, sondern auch Leiter eines Gefangenenlagers in der libyschen Hauptstadt Tripolis.
Dennoch überstellte Italien den Libyer nicht nach Den Haag, sondern ließ ihn am Dienstag wieder laufen, offiziell wegen eines "juristischen Formfehlers". Laut Medienberichten ist Najeem bereits nach Tripolis zurückgeflogen.
Internationaler Strafgerichtshof will Antworten
Der Internationale Strafgerichtshof untersucht seit dem Bürgerkrieg in Libyen im Jahr 2011 schwere Verbrechen in dem Land. Er habe Italien aufgefordert, sich mit dem Gericht in Verbindung zu setzen, falls es Probleme mit dem Verhaftungsprozess gebe, teilte er mit. Najeem sei jedoch ohne vorherige Ankündigung oder Konsultation freigelassen worden. Man bemühe sich nun um eine Überprüfung der angeblich unternommenen Schritte der Behörden, habe dazu aber noch nichts erhalten.
Weder das Büro von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni noch das Justizministerium haben sich bislang zu dem Fall geäußert. Der Verdacht liegt nahe, dass Meloni es sich mit Libyen nicht verscherzen wollte: Ihre rechtsgerichtete Regierung verlässt sich stark auf die libyschen Sicherheitskräfte, wenn es darum geht, Migranten daran zu hindern, das nordafrikanische Land zu verlassen und nach Süditalien zu gelangen.
Breite Kritik an Meloni
Menschenrechtler hatten Najeems Festnahme zunächst begrüßt. Nach ihren Angaben werden in dem von Najeem geleiteten Gefangenenlager Menschen unter grausamen Bedingungen festgehalten. Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs bezieht sich auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dort begangen worden sein sollen.
Oppositionsabgeordnete mehrerer Parteien äußerten sich nach der Freilassung Najeems empört. Ex-Regierungschef Matteo Renzi warf Meloni wegen ihres erklärten Ziels, Menschenhändler zu bekämpfen, Heuchelei vor: "Wenn nun ein Menschenhändler ankommt, von dem uns der Internationale Strafgerichtshof sagt, dass er ein gefährlicher Verbrecher ist, dann bringen Sie ihn nicht zur Strecke, sondern lassen ihn mit einem Staatsflugzeug nach Hause fliegen."
Auch Menschenrechtsgruppen kritisierten die Freilassung scharf. Mediterranea Saving Humans bezeichnete den Schritt als "beschämenden Schutz", den die rechte Regierung in Rom einem "Menschenhändler und Folterer" gewähre.
Quelle: ntv.de, hvo/rts/dpa