Politik

"Jetzt sind wir dran" Aufständische rechte Milizionäre fordern Rache von Trump

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Stuart Rhodes, Anführer der Oath Keepers

Stuart Rhodes, Anführer der Oath Keepers

(Foto: REUTERS)

Der neue US-Präsident hat die Aufständischen des 6. Januar 2021 begnadigt - jene Anhänger, die ihn gewaltsam an der Macht halten wollten. Einige sind bereits auf freiem Fuß. Terrorismusexperten gehen davon aus, dass rechte Milizen deshalb neuen Zulauf bekommen.

Jahrelange Ermittlungen, Verhandlungen und Urteile zum Aufstand des 6. Januar 2021, als Trumps Anhänger das Kapitol in Washington stürmten und den damaligen Staatschef an der Macht halten wollten, sind seit dessen Unterschrift als erneut vereidigter US-Präsident am Montag vom Tisch gewischt. Die fast 1600 Personen müssen wohl keine weiteren juristischen Folgen fürchten. Nicht lange nach den Begnadigungen waren sogar die Rädelsführer und Hintermänner des Aufstands wieder auf freiem Fuß.

Die bekanntesten sind Stuart Rhodes, Milizchef der Oath Keepers; Henry "Enrique" Tarrio, Anführer der Proud Boys; aber auch der populär gewordene "QAnon-Schamane" Jacob Chansley. Nach ihrer Entlassung haben die beiden Milizionäre von Trump Rache gefordert - von Reue keine Spur. Sie äußerten sich nicht dazu, wie sich die bewaffneten Gruppen, die sie geleitet hatten, verhalten würden. Sie dankten jedoch Trump; ebenso wie der "Schamane", der sich nun wieder bewaffnen will, wie er sagte.

Terrorismus-Experten warnen vor den Folgen der Begnadigungen für die USA. Der radikale Schritt könnte extremistische Randgruppen ermutigen und den Kampf gegen politische Gewalt von rechts behindern. Wie dieser Kampf in Zukunft gestaltet wird, ist offen. Trumps designierte Justizministerin und Generalstaatsanwältin Pamela Bondi antwortete bei ihren Anhörungen im Senat auf Fragen nach möglichen Ermittlungen und Prozessen gegen politische Kontrahenten ausweichend.

Im Jahr 2023 gaben 44 Prozent der US-Haushalte an, mindestens eine Schusswaffe aufzubewahren. In den USA sind mehr Waffen im Umlauf, als es Einwohner gibt - keine Zivilbevölkerung der Welt ist schwerer bewaffnet. Im vergangenen Jahr kauften US-Amerikaner fast 1,4 Millionen Waffen monatlich. Das private Recht auf Waffenbesitz ist in der Verfassung festgeschrieben, ebenso eine "gut regulierte Miliz", für die "Sicherheit eines freien Staates".

"Katastrophaler Moment"

Die Begnadigungen seien "ein ziemlich katastrophaler Moment für die nationale Terrorismusbekämpfung", wird Jacob Ware vom Council of Foreign Relations in der "Washington Post" zitiert. "Die zurückkehrenden Anführer haben eine Legitimität, da sie gegen die Regierung gekämpft haben." Das Opfertum und Märtyrer-Gefühl werde sie radikalisieren und ihnen neue Mitglieder zutreiben. Andere äußerten sich ähnlich oder zogen Parallelen zu vergangener Straffreiheit rassistischer Gruppen in den USA, die sich in der Folge ermutigt gefühlt hätten.

Laut der Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center gibt es derzeit rund 50 aktive Milizen in den USA. Sie seien der paramilitärische Arm der Anti-Regierungs-Bewegung, welche die staatliche Autorität anzweifelt. Paramilitärische Gruppen sind in der Vergangenheit immer wieder für illegal erklärt worden.

Die rechtsgerichteten Milizen, die sich je nach Ausrichtung und Aktivitäten in einer rechtlichen Grauzone bewegen, haben in Trump einen potenziellen Verbündeten an allerhöchster Stelle - und zukünftig einen Regierungsapparat gleich mit. Viele Republikaner kultivieren seit Trumps Wahlniederlage 2020 seinen Mythos, er sei um den Sieg betrogen worden. Der Prozess gegen die Aufständischen war demnach angeblich Teil einer "weaponization of government"; die Demokraten sollen also ihre Macht als Waffe gegen politische Gegner eingesetzt haben.

Rassisten als Paramilitärs trainiert

Tarrio und Rhodes waren im Mai 2023 beide wegen aufrührerischer Verschwörung mit ihren bewaffneten rechten Gruppen verurteilt worden: Tarrio zu 22 Jahren Gefängnis, Rhodes zu 18 Jahren. Etwa 60 Prozent der Republikaner sagten in einer Umfrage im Dezember, sie würden Begnadigungen für alle Aufständischen des 6. Januar befürworten.

Tarrio hatte laut Urteil seine rechte Miliz als "Armee" trainiert, um Trump nach dessen Wahlniederlage gegen Joe Biden 2020 an der Macht zu halten. Seine Proud Boys nahmen demnach eine zentrale Rolle bei den Kämpfen mit der Polizei ein und ermutigten andere Aufständische, die Polizeiketten zu durchbrechen. Die Bürgerrechtsorganisation ADL stuft die Miliz als "rechtsextreme, gewalttätige, antisemitische Gruppe" ein, die eine "weiße Vorherrschaft" anstrebe.

Nun behauptet Tarrio, die Jury, die ihn verurteilt hatte, sei voreingenommen und nicht an Beweisen interessiert gewesen, sondern habe nur Trumps Anhänger im Gefängnis sehen wollen. "Jetzt sind wir dran", drohte er nach seiner Freilassung: "Die Leute, die dies getan haben, müssen strafrechtlich verfolgt werden und hinter Gitter kommen."

Rhodes tauchte nach seiner Freilassung im Bürogebäude des Repräsentantenhauses auf, machte Halt in einer Donuts-Ladenkette und verteidigte sich danach ausführlich in einem Interview. Er trug dabei eine "Trump 2020"-Kappe. Rhodes sagte, sie hätten das Richtige getan und die Menschen "vor Antifa" schützen wollen. Zugleich behauptete er: "Ich habe gar nichts angeführt." Ein Polizist, der am Tag des Aufstands am Kapitol im Einsatz war, zeigte sich bei CNN entsetzt. "Er lügt", sagte er knapp. Auch die Beweise sprechen gegen den Milizionär.

Henry Tarrio nach seiner Ankunft am Flughafen von Miami.

Henry Tarrio nach seiner Ankunft am Flughafen von Miami.

(Foto: REUTERS)

Rhodes und die Oath Keepers hatten für den 6. Januar 2021 Waffen in Hotels um Washington herum gelagert und warteten auf ein Signal Trumps, um loszuschlagen. Dies geschah jedoch nicht. Wenige Tage später wollte Rhodes über einen Mittelsmann eine Sprachnachricht an Trump schicken, in der er dem scheidenden Präsidenten sagte, es sei nicht zu spät, mithilfe paramilitärischer Gruppen das Weiße Haus zu verteidigen sowie Bewaffnete für einen möglichen Bürgerkrieg zu mobilisieren. "Ich würde Nancy Pelosi an einem Laternenpfahl aufknüpfen", sagte Rhodes in der Nachricht. Sie erreichte den Präsidenten nicht, der Mittelsmann ging zum FBI.

"Wir glauben an die Erlösung"

Trump nannte das Urteil gegen die Oath Keepers "lächerlich und übertrieben". Dies seien die Leute gewesen "die unser Land lieben", seine Begnadigungen seien deshalb angemessen. Auf Kritik hin, diese Leute hätten Polizisten angegriffen, sagte er, es wäre zu umständlich gewesen, jeden Fall einzeln zu betrachten.

Republikanische Politiker müssen sich nun Fragen gefallen lassen. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, wand sich dabei. "Wir glauben an die Erlösung, wir glauben an zweite Chancen", wich er in Referenz auf den christlichen Glauben aus. Schließlich flüchtete er sich in den Hinweis, es sei eben Trumps Entscheidung und er habe sie so getroffen. Kritik auf republikanischer und konservativer Seite ist nur über die Straflosigkeit für Gewalt gegenüber Polizisten zu hören.

Der Verband der Polizeichefs der US-Großstädte teilte mit, seine Mitglieder seien "der festen Überzeugung, dass diejenigen, die wegen solcher Verbrechen verurteilt wurden, ihre volle Strafe verbüßen sollten". Angriffe auf Polizisten seien "Angriffe auf die Gesellschaft und untergraben den Rechtsstaat".

Mehr zum Thema

Doch die juristische Bewertung hat Trump einfach verworfen. Die politische wird neu aufgerollt. Johnson kündigte eine weitere Untersuchungskommission der Kongresskammer an. Das "politisch motivierte" vorherige Gremium habe "falsche Geschichten feilgeboten", kritisierte er. Nun werde "die volle Wahrheit aufgedeckt".

Das plötzliche Interesse ist neu. Die Republikaner hatten sich unter Präsident Biden geweigert, an einem parteiübergreifenden Untersuchungsausschuss teilzunehmen - womöglich, um ihre eigene politische Karriere zu retten. Die Republikaner, die den Aufstand schließlich mit den Demokraten untersuchten, sind seither in ihrer eigenen Partei geächtet.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen