Politik

Briten debattieren über EU-Austritt Jetzt wird es Banane

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Werden die Briten am 23. Juni der "Leave"-Kampagne von Boris Johnson ihre Zustimmung geben?

(Foto: REUTERS)

Je näher das Referendum über einen Austritt aus der EU rückt, desto mehr fragen sich die Briten, wem sie vertrauen können. Und das in einer Situation, in der beide Seiten am liebsten über Bananen diskutieren.

Wer Boris Johnson, den bunten Vogel an der Spitze der "Leave"-Kampagne, und Alex Salmond, der fast einmal Schottland aus dem Königreich geführt hätte, gegeneinander in Stellung bringt, der möchte genau dies: Eine Debatte, in der zwei Alphatiere zeigen, wie wenig sie voneinander halten.

Den ersten Punkt landete dabei Salmond. Sein Gegner Johnson hatte eine Studie der Bank of England zitiert, wonach die Einwanderung die Löhne im Land um 2 Prozent drücke. Salmond hakte nach: "Haben Sie die Studie gelesen?" Das hatte Johnson natürlich nicht, und Salmond konnte darlegen, dass die Studie nicht von einem Rückgang von 2, sondern von 0,3 Prozent spricht.

Weil so unklar ist, was aus einem EU-Austritt genau folgen würde und weil diese Frage so viele Bereiche des täglichen Lebens berührt, weiß kaum ein Brite, ob er besser oder schlechter dran wäre, wenn sein Land die EU verließe. Das hat sich auch durch die monatelange Debatte kaum verändert.

Ist der EU-Austritt gut oder schlecht?

Ein Beispiel: In der Sendung, veranstaltet von der Tageszeitung "Telegraph", der Webseite "Huffington Post" und von Youtube, fragte eine junge Frau, ob der EU-Austritt gut oder schlecht für sie sei, wenn sie ein Haus bauen wolle. Die Antworten waren abzusehen: Das "Remain"-Lager sprach von der wirtschaftlichen Unsicherheit, die bei einem Austritt auf die Briten zukäme und Arbeitsplätze kosten könne. Die Vertreter der "Leave"-Kampagne argumentieren, ohne die Überweisungen nach Brüssel würde Großbritannien prosperieren und für alles wäre mehr Geld da. Die Studentin, die nach ihren Chancen fragte und der Kleinunternehmer, der sich um sein Geschäftsmodell sorgt, bekamen praktisch dieselben Antworten.

Durchrechnen lässt sich eine solche Frage allerdings nicht. Dafür ist zum Beispiel zu unklar, ob Großbritannien Teil des EU-Binnenmarktes bleiben würde. Und die Überweisungen nach Brüssel lassen sich nur schwer gegen den Nutzen aufrechnen, den das Land durch EU-Förderprogramme hat. Somit sind die Wähler darauf angewiesen, einer der beiden Seiten zu vertrauen, die leider so tun, als hätten sie eine klare Antwort auf die komplexe Frage.

Es geht also darum, Punkte zu machen, den Gegner bloßzustellen, schlauer zu wirken. Kein Thema ist dafür zu banal. Als es um EU-Regularien geht, eröffnet Salmond mit dem Satz, er sei froh, dass Johnson sein Bananen-Beispiel aufgegeben habe, worauf ihn Johnson sofort unterbricht: "Wie viele Richtlinien hat die EU zu Bananen erlassen, Alex? Wie viele? Sind sie alle essenziell?" Was dann zum Rededuell des Abends führt, bei dem die Zuschauer lernen, dass es angeblich fünf Richtlinien gibt, die sich mit Bananen beschäftigen und eine davon auch die Krümmung definiert. Die Moderatorin versucht, beide zu beruhigen: "Das ist eine ernsthafte Debatte hier", sagt sie, ohne dass es einen Effekt hätte. "Kann ich mich einfach ergeben und die Bananen-Expertise Boris überlassen?", fragt Salmond schließlich.

Salmond verlor schon einmal ein Referendum

Alex Salmond war sieben Jahre lang Regierungschef von Schottland und trat 2014 zurück, nachdem er mit seinem Vorhaben gescheitert war, Schottland aus dem Vereinigten Königreich herauszulösen. Seine Landsleute unterstützen ihn darin, Schottland sozialer und europäischer auszurichten. Das Referendum verlor er letztlich, weil der Schritt vielen zu unsicher schien. Salmond wurde nun die Frage gestellt, ob es in Schottland ein neues Referendum geben werde, wenn Großbritannien die EU verlässt. Seine Antwort: Wenn eine Mehrheit der Schotten gegen den Brexit stimmt, die Mehrheit der Briten aber dafür ist, dann drängt sich ein neues Referendum geradezu auf.

Boris Johnson war acht Jahre lang Bürgermeister von London. Salmond warf ihm nun vor, die "Leave"-Kampagne zu nutzen, um sich für das Amt des Premierministers in Stellung zu bringen. Sollten die Briten tatsächlich den Brexit beschließen, bräuchte das Land wohl einen neuen Regierungschef, denn der bisherige Amtsinhaber David Cameron spricht sich ja für einen Verbleib in der EU aus und wäre damit kaum geeignet, den Austritt zu organisieren. Johnson reagierte bemerkenswert auf den Vorwurf. Der sonst so schlagfertige Politiker sagte einfach: nichts.

Um ein paar Sachfragen ging es dann doch noch. Dafür waren besonders die Frauen in der Runde verantwortlich: die Labour-Abgeordnete Liz Kendall für die "Remain"-Kampagne und die konservative Staatsministerin im Arbeitsministerium, Priti Patel, die sich für den Brexit einsetzt. Patels Rolle war es dabei, jedem einen Anteil am angekündigten Wirtschaftswachstum zu versprechen.

Kendall sprach am liebsten über Migration. Die Sorge vieler Bürger ist, Migranten würden das Gesundheitssystem NHS überlasten. Kendall forderte, endlich damit aufzuhören, über Einwanderung wie über eine Krankheit zu sprechen. Migranten zahlten mehr für das System, als sie herausbekämen: "Es ist wahrscheinlicher, dass Sie im NHS von einem Migranten behandelt werden, als dass Sie hinter einem in der Schlange stehen."

Quelle: ntv.de

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