Wahl war Abstimmung über Kanzler Juso-Chef Türmer nennt Scholz-Plakate einen Fehler
11.06.2024, 02:03 Uhr Artikel anhören
Den klaren Kurs vermisste die Wählerschaft vor allem beim Kanzler - und machte ihr Kreuz nicht bei der SPD.
(Foto: picture alliance / nordphoto GmbH)
In der SPD-Zentrale wird am Tag nach der Europawahl über das desaströse Abschneiden gerätselt. Während Generalsekretär Kühnert Kanzler Scholz gleich aus der Schusslinie nimmt, sieht der Juso-Chef in ihm einen Hauptverantwortlichen. Türmer nennt Plakate mit dem Konterfei des Kanzlers daher einen Fehler.
Juso-Chef Philipp Türmer hat die Plakatierung seiner Partei mit Kanzler Scholz für das schlechte Abschneiden bei der Europawahl mitverantwortlich gemacht. Die SPD hatte am Sonntag mit 13,9 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren, bei den Erklärungen des Warum aber ziemlich ratlos gewirkt.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte noch am Wahlabend zwar von einer "harten Niederlage" gesprochen, Diskussionen über seine Zukunft und die des Kanzlers jedoch für deplatziert erklärt. Mit Scholz zu plakatieren, sei nach seiner Einschätzung richtig gewesen. Er sei eine zentrale Figur Europas. Das Abschneiden der Partei solle nicht dem Kanzler in die Schuhe geschoben werden. Das wäre ganz schlechter Stil, so Kühnert. Türmer kommt im Interview mit dem "Spiegel" dagegen zu einem anderen Ergebnis.
"Es war eine Abstimmung über die Ampelpolitik - und über Olaf Scholz, den wir überall plakatiert haben", so Türmer. Er ergänzt: "Sie erwarten mehr sozialdemokratische Linie vom Kanzler". Diese Hypothese ist durch zahlreiche Umfragen gedeckt. Ende Mai erklärten etwa 73 Prozent der Befragten gegenüber Forsa, dass Scholz mehr durchgreifen müsste. Lediglich 16 Prozent waren seinerzeit mit der Anwendung seiner Richtlinienkompetenz zufrieden. Interessantes Detail: Unter den SPD-Anhängern war der Anteil derer, die von Scholz mehr Führung erwarteten, mit 74 Prozent sogar noch höher als im Bundesschnitt. Und damit forderten sie nicht mehr, als von Scholz selbst versprochen. Der hatte mehrfach gesagt: "Wer Führung bestellt, der bekommt sie auch!"
Die Menschen wirklich überzeugen konnte Scholz aber nicht, beklagt Türmer. Und das sei aber nötig gewesen, da es an allen Infoständen nur um Bundespolitik gegangen sei. Auch die anderen Parteien hätten kaum mit europapolitischen Themen zu punkten versucht, so der Juso-Chef. Und bei der Performance der Bundesregierung, die Türmer "katastrophal" nennt, schade das der Partei enorm. Das liege auch an Worten und Taten des Kanzlers, die oft nicht zueinander passen wollen. Etwa, wenn Scholz zwar stets von Deeskalation der russischen Invasion in der Ukraine spricht, am Ende aber doch weiteren Waffenlieferungen zustimmt - auf Druck der NATO-Partner, wie die "SZ" schreibt.
Türmer würde Koalitionsbruch riskieren
Aber der Kanzler könne noch liefern, so Türmer. Beispielsweise beim Haushaltsstreit mit Finanzminister Christian Lindner. Der wolle mit dem nächsten Sparhaushalt Investitionen in Daseinsvorsorge, Infrastruktur und die Wirtschaft blockieren, sagt Türmer. "Er läuft in die entgegengesetzte Richtung, will weniger Investitionen und Kürzungen im Sozialbereich. Das wäre fatal, und das darf Scholz ihm nicht durchgehen lassen."
Der müsse stattdessen "Lindner die Pistole aus der Hand" nehmen und ihm selbst auf die Brust setzen. "Wenn die da in ihrer Dreierrunde mit Habeck sitzen, muss klar sein: Hier sitzt der sozialdemokratische Kanzler, der für sozialdemokratische Politik gewählt wurde. Er muss jetzt die Richtung vorgeben." Vor einem dann vielleicht drohenden Koalitionsbruch erklärt Türmer: "Und wenn die FDP gehen will, soll sie gehen. Reisende soll man nicht aufhalten."
Quelle: ntv.de, als