Debatte über Polens Justizreform Kaczynski beschimpft Opposition als Verräter
19.07.2017, 05:05 Uhr
Jaroslaw Kazcynski war aufgebracht.
(Foto: AP)
Bis tief in die Nacht debattiert das polnische Parlament über die höchst umstrittene Justizreform. Tausende Menschen sind erneut auf den Straßen. Dann platzt PiS-Chef Kaczynski der Kragen.
Nach einer hitzigen Verbalattacke des Chefs der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, gegen die Opposition hat das polnische Parlament seine Debatte über die umstrittene Justizreform vertagt. Kaczynski reagierte in der Nacht zu Mittwoch aufgebracht auf Abgeordnete der Opposition, die sich bei ihrer Kritik an der geplanten Justizreform auf den verstorbenen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, den Zwillingsbruder von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, beriefen.
"Wischen Sie sich nicht Ihre Verrätermäuler am Namen meines in heiliger Erinnerung bleibenden Bruders ab", rief der PiS-Chef. "Sie haben ihn zerstört, ermordet. Sie sind Schurken", beschimpfte er die Opposition. Als eine Abgeordnete darauf antworten wollte, brachte Kaczynski sie mit den Worten "Hau ab!" zum Schweigen. Wenige Minuten später verkündete der Vize-Präsident des Abgeordnetenhauses, dass die Debatte unterbrochen und am Mittwochmorgen fortgesetzt werde.
Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat in beiden Parlamentskammern die Mehrheit. Sie will offenbar im Eilverfahren eine Justizreform durchsetzen. Ein Gesetz sieht vor, dass das Parlament künftig über die Besetzung des Landesrichterrats entscheiden soll. Dem bislang als unabhängig geltenden Rat obliegt wiederum die Besetzung der Richterposten an den ordentlichen Gerichten im Land.
Staatschef Andrzej Duda, der aus dem Regierungslager stammt, hatte überraschend eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs gefordert. Der Europarat und die Europäische Union sorgen sich angesichts der Reformpläne um Polens Rechtsstaatlichkeit. In mehreren polnischen Städten gingen am Dienstagabend wieder Tausende Menschen auf die Straßen, um gegen das Vorhaben zu demonstrieren.
Polens damaliger Präsident Lech Kaczynski, seine Ehefrau und 94 weitere Insassen waren am 10. April 2010 bei einem Flug nach Russland ums Leben gekommen. Polnische und russische Ermittler waren zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Zusammenspiel von Pilotenfehlern, dichtem Nebel und einer schlechten Luftüberwachung zu dem Unglück führte. In Polen ranken sich jedoch zahlreiche Verschwörungstheorien um den Absturz.
Quelle: ntv.de, rpe/AFP