Wüst fühlt sich "veräppelt" Kommunen breiten zum Deutschland-Pakt Forderungskatalog aus
06.09.2023, 15:11 Uhr Artikel anhören
Zentraler Baustein müsse ein "kommunaler Investitionsfonds sein, der den Ausbau und die Sanierung der kommunalen Infrastruktur fokussiert", fordert der Städte- und Gemeindebund.
(Foto: picture alliance / JOKER)
Kanzler Scholz geht mit dem Aufruf zu einem nationalen Kraftakt in die zweite Hälfte der Legislatur. Kommunal- und Wirtschaftsverbände legen umgehend ihre Ideen auf den Tisch. NRW erinnert an aus seiner Sicht vom Bund verschleppte Vorhaben. Sachsen stellt erste Bedingungen.
Die kommunalen Spitzenverbände haben zurückhaltend auf den von Kanzler Olaf Scholz angekündigten Deutschland-Pakt reagiert. Während der Städte- und Gemeindebund auf eine solide finanzielle Ausstattung der Kommunen drang, fordert der Deutsche Städtebund ein Mitspracherecht bei der konkreten Ausgestaltung. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer lobte die richtigen Ziele und appellierte an Bund und Länder, konkrete Ergebnisse zu liefern. Deutlich ungehaltener zeigte sich NRW-Regierungschef Hendrik Wüst. "Ich fühle mich offen gesprochen veräppelt", sagte der CDU-Politiker der Zeitung "Rheinische Post" und sprach von einem "PR-Gag für Projekte", die die Länder seit Langem fordern. Sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer machte seine Mitwirkung bereits von Zugeständnissen abhängig.
Der Deutschland-Pakt gehe in die richtige Richtung, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. "Die Ziele unter der Überschrift sind richtig: Ballast abwerfen, schneller werden, mutiger und digitaler agieren." Der Wirtschaftsstandort Deutschland habe viele strukturelle Probleme. Konkret nannte er in der "Rheinischen Post" hohe Energiepreise, Fachkräftemangel, mangelnde Infrastruktur und überbordende Bürokratie. Die Unternehmen würden in der Breite nur dann wieder mehr Vertrauen in die Politik gewinnen, "wenn eine positive Veränderung konkret in der Praxis ankommt", sagte er.
"Da lässt sich einiges entschlacken"
Für den Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, kann der "Deutschland-Pakt ein Baustein zur Modernisierung unseres Landes und den wirtschaftlichen Aufschwung sein". Bislang aber fehle eine belastbare finanzielle Grundlage für Investitionen in die Infrastruktur vor allem in den Kommunen, kritisierte er in der Zeitung. Zentraler Baustein müsse ein "kommunaler Investitionsfonds sein, der den Ausbau und die Sanierung der kommunalen Infrastruktur fokussiert", denn der Großteil der für die deutsche Wirtschaft maßgeblichen Infrastruktur befinde sich in den Städten und Gemeinden.
Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy mahnte, dass eine echte Reform für mehr Tempo bei Verwaltungsverfahren nicht gelingen werde, "wenn man mit den Kommunen die außen vor lässt, die genau wissen, wo es hakt - und die es letztendlich umsetzen müssen", sagte er der "Rheinischen Post". Schnellere, einfachere und besser digitalisierte Verfahren seien der "absolut richtige Ansatz" und entlaste die Städte. "Planung und Vergabe dauern bei vielen Projekten derzeit einfach zu lange, da lässt sich einiges entschlacken", sagte er weiter.
Kanzler Scholz hatte in der Generaldebatte eine "nationale Kraftanstrengung" gefordert. So solle Deutschland moderner, schneller und sicherer werden. Im Bundestag schlug er Ländern, Kommunen und der Opposition mit Ausnahme der AfD einen "Deutschland-Pakt" zur Modernisierung des Landes vor. "Tempo statt Stillstand, Handeln statt Aussitzen, Kooperation statt Streiterei. Das ist das Gebot der Stunde", betonte der SPD-Politiker. "Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln, der sich über Jahre, Jahrzehnte hinweg auf unser Land gelegt hat."
Sachsen will zuerst über Migration sprechen
NRW-Regierungschef Wüst verwies in seiner Kritik unter anderem darauf, dass seit zehn Monaten Ideen der Länder zur Planungsbeschleunigung auf dem Tisch lägen. "Monatelang kam keine Reaktion aus dem Kanzleramt. Der Bund hat wertvolle Zeit vertrödelt - zulasten des Wirtschaftsstandorts Deutschland", sagte er. Wenn der Kanzler "seine neuen, vollmundigen Ankündigungen wirklich und endlich ernst meinen sollte, nehmen wir ihn direkt in die Pflicht." Die Länder stünden bereit, den längst verabredeten Pakt für Planungsbeschleunigung umzusetzen.
Leitplanken für die anstehenden Diskussionen zog derweil Sachsens Ministerpräsident Kretschmer. Er wolle den Deutschland-Pakt annehmen und auf "Ernsthaftigkeit prüfen", sagte der CDU-Politiker. "Bisher wollte die Ampel ihre Agenda aus Berlin ohne Rücksicht auf die Situation vor Ort durchdrücken." Die ersten Themen müssten Migration und die Neuausrichtung der Energiewende sein. "An der Frage, wie die illegale Migration gestoppt und ein Strompreis von maximal 6 Cent je Kilowattstunde erreicht werden kann, muss sich das Angebot der Bundesregierung messen lassen. Für einen Pakt braucht es mindestens zwei."
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/DJ/rts