Politik

TV-Hetzer müssen nicht an Front Kreml nennt Angst vor Einberufung "Hysterie"

Ein junger Mann demonstriert in Nowosibirsk für die "Spezialoperation" in der Ukraine. Andere verlassen lieber fluchtartig das Land.

Ein junger Mann demonstriert in Nowosibirsk für die "Spezialoperation" in der Ukraine. Andere verlassen lieber fluchtartig das Land.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Die Mobilmachung sorgt bei russischen Familien für Angst und Schrecken: Tausende junge Männer verlassen fluchtartig das Land. Die Regierung spricht von Hysterie und versucht, bestimmte Branchen zu beruhigen. Vor allem Kriegshetzer im Staats-TV sind vom Front-Dienst befreit.

Nach dem Befehl von Kremlchef Wladimir Putin zur Teilmobilmachung für den Krieg in der Ukraine hat die Führung in Moskau "Hysterie" im Land beklagt. Zugleich schloss sie Reservisten mit bestimmten Berufen von der Zwangsrekrutierung aus. So würden etwa IT-Spezialisten, Experten zur Sicherung des Finanzsystems oder auch Mitarbeiter der Massenmedien, die zu den "systemerhaltenden" Berufen gehörten, nicht eingezogen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

Angesichts der Einberufung von Reservisten für den Krieg in der Ukraine verließen Tausende Männer fluchtartig das Land. Der Exodus gilt als Gefahr auch für die russische Wirtschaft. Schon nach dem von Putin angeordneten Einmarsch in die Ukraine im Februar hatten Zehntausende Menschen das Land verlassen. Für den Krieg in dem Nachbarland will Putin mindestens 300.000 Reservisten einziehen lassen.

Kreml-Sprecher: "Irgendwie verständlich"

Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte dazu auf, sich ausreichend zu informieren. "Es lässt sich irgendwie verstehen, dass es in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe und auch noch am ersten Tag eine hysterische, äußerst emotionale Reaktion gegeben hat, weil es tatsächlich unzureichende Informationen gab", sagte Peskow. Inzwischen aber gebe es auch Hotlines, um telefonisch Fragen zu klären.

Peskows Sohn hatte zuletzt beim Thema Einberufung für einigen Spott gesorgt. Ein fingiertes Telefonat des Teams um den inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny entlarvte Peskow Junior als Drückeberger.

Ein Mitarbeiter von Nawalnys Team gab sich als Mitarbeiter eines Moskauer Wehrkreiskommandos aus und beorderte den 32-Järhigen zur Musterung. Er werde sich nicht einfinden und die Frage auf anderer Ebene entscheiden lassen, sagte Nikolai Choles Peskow dem Telefonmitschnitt zufolge.

Mitarbeiter der Staatsmedien werden nicht eingezogen

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, dass Beschäftigte im Hochtechnologiebereich nicht eingezogen werden sollten. Nicht in den Krieg müssen demnach auch die Mitarbeiter der staatlichen Propagandamedien. Sie befeuern den Krieg und hatten von Putin einen stärkeren Einsatz in der Ukraine gefordert. Geschützt sind demnach Redakteure, Verleger, Mitarbeiter von Fernsehen, Radio und Zeitungen. Sie gehören zu Putins wichtigen Machtstützen.

Der Chef des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Andrej Kartapolow, erklärte mit Blick auf die Flucht, dass zwar nach dem Gesetz zur Mobilmachung ein Ausreiseverbot für Reservisten bestehe. Weil es sich aber um eine Teilmobilmachung handelt, werde das Gesetz nicht angewendet. Reisen innerhalb Russlands und ins Ausland seien deshalb erlaubt. Er empfahl aber Reservisten, die unsicher sind, sich selbst an der Einberufungsstelle einzufinden, um zu klären, was erlaubt ist und was nicht.

Starker Zustrom in Ex-Sowjetrepubliken

Am Nachmittag informierte die an Russland grenzende zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Kasachstan über vermehrte Einreisen aus Russland. Zuvor hatten etwa auch die Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Georgien im Südkaukasus über massenhafte Einreisen gesprochen. Flüge sind über Tage ausgebucht und mit mehreren Tausend Euro so teuer, dass es sich viele schlicht nicht leisten können.

Die Ziele in früheren Sowjetrepubliken sind besonders beliebt, weil Russen dort kein Visum brauchen. Außerdem ist die russische Sprache verbreitet. Auch die Türkei ist ein Ziel für Kriegsdienstverweigerer. Von den EU-Staaten, die an Russland grenzen, ließ vor allem Finnland noch Russen einreisen. Allerdings nur mit einem Schengen-Visum.

Quelle: ntv.de, mau/dpa

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