
Wladimir Putin hat sich bisher nicht geäußert.
(Foto: via REUTERS)
Jewgeni Prigoschin war in Russland omnipräsent: Er posierte vor Leichen, pöbelte gegen die Militärführung und führte schließlich eine Meuterei an. Nun ist er wohl tot. Und der Kreml? Kein Wort dazu.
Auch am Tag nach dem Absturz des Flugzeugs auf einem Feld zwischen Moskau und St. Petersburg mit Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin auf der Passagierliste, hüllt sich der Kreml in Schweigen. Weder Präsident Wladimir Putin noch hochrangige Regierungsvertreter haben sich zu dem Crash geäußert. Das ist allein deshalb bemerkenswert, weil Prigoschin im Juni eine kurze Meuterei gegen die russische Militärführung mit einem "Marsch auf Moskau" angeführt hatte, bei dem Wagner-Söldner in Richtung russische Hauptstadt vorrückten.
Putin nannte das "Verrat" und kündigte eine harte Antwort an. Doch die blieb aus. Prigoschin wurde nicht bestraft. Er und einige seiner Kämpfer gingen nach Belarus. Doch nur wenige Tage später nahm Prigoschin nach Angaben des russischen Präsidialamts an einem Treffen mit Putin teil. Ende Juli wurde er in St. Petersburg beim Russland-Afrika-Gipfel fotografiert. Vor kurzem wurde ein Video mit ihm in Kampfmontur mit Gewehr in den Händen veröffentlicht, das angeblich in Afrika aufgenommen wurde.
Doch Russlands Nachrichtensender berichten über den Flugzeugabsturz nur am Rande. Sie konzentrieren sich vor allem auf den BRICS-Gipfel und den Krieg in der Ukraine. So strahlte der Sender Rossiya-24 nach Angaben der "New York Times" am heutigen Donnerstag lediglich einen kurzen Beitrag aus, in dem es hieß, dass Rettungskräfte an der Absturzstelle eines Privatflugzeugs in der Region Tver tätig seien. In dem Bericht wurde unter Berufung auf die Zivilluftfahrtbehörden beiläufig erwähnt, dass Prigoschin und Mitarbeiter auf der Passagierliste des Flugzeugs gestanden hätten.
Mittlerweile wurde in einer Talkshow im staatlichen Fernsehen ein "Sonderbericht" ausgestrahlt, bei dem es um die Untersuchung der Absturzstelle und mögliche Absturzursachen ging - "Pilotenfehler, technische Fehlfunktionen oder äußere Einflüsse". Prigoschin wurde nur am Rande erwähnt, die Meuterei überhaupt nicht. Die russischen Staatsmedien berichten nicht unabhängig, sondern bekommen vom Kreml Vorgaben. Das führt dazu, dass gerade bei überraschenden wichtigen Ereignissen zunächst nur zurückhaltend berichtet wird. Der Absturz des Flugzeugs, bei dem wahrscheinlich Prigoschin und zwei weitere Anführer der Wagner-Truppe ums Leben kamen, ist so ein Ereignis.
Wüste Beleidigungen
Putin ist dafür bekannt, dass er politische Gegner in seinen öffentlichen Äußerungen geflissentlich ignoriert und ihre Namen nicht erwähnt. Ein Beispiel: Das einzige Mal, dass Putin den Namen Alexej Nawalnys erwähnt hat, war bei einem Empfang im Jahr 2013, als er von einem Journalisten gefragt wurde, ob die Omerta [also die Schweigepflicht der Mitglieder der Mafia] um Nawalnys Namen beabsichtigt sei. "Nein, warum?", sagte Putin. "Alexej Nawalny ist einer der Führer der Oppositionsbewegung." Doch sonst verhält er sich so, wie in einem Interview im österreichischen ORF. Nachrichtenmoderator Armin Wolff fragte Putin zweimal direkt, warum er den Namen Nawalnys nie öffentlich ausspreche. Putin ging auf beide Fragen nicht ein.
Prigoschin war in Russland vor allem während des Kampfes um die ukrainische Stadt Bachmut omnipäsent. In Videobotschaften beschimpfte er wüst Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Waleri Gerassimow, den Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine - in einem Video steht er vor den Leichen von rund 30 getöteten Wagner-Kämpfern, wie er sagte.
Die Meuterei Prigoschins war die größte Bedrohung für die Herrschaft des russischen Staatschefs seit seinem Machtantritt. Verrat, so Putin in einem Interview für einen russischen Dokumentationsfilm, sei die einzige Sünde, die er nicht verzeihen könne. "Am Tag der Meuterei hat Putin Prigoschin als Hochverräter bezeichnet. Damals war klar, wenn Putin nicht schwach dastehen will, dann muss er ihn liquidieren. Das wurde jetzt offensichtlich getan", sagte Politikwissenschaftler Gerhard Mangott im Gespräch mit ntv.de.
Als das Flugzeug - auf den Tag genau zwei Monate nach der Meuterei - abstürzte, war Putin im Südwesten Russlands an der Grenze zur Ukraine. Anlass war der 80. Jahrestag der Panzerschlacht von Kursk während des Zweiten Weltkrieges zwischen Wehrmacht und Sowjetarmee. Dort zeichnete er Soldaten als "Helden Russlands" aus, die in dem von ihm befohlenen Angriffskrieg gegen die Ukraine gekämpft haben. Im vergangenen Jahr hatte auch Prigoschin diesen Orden erhalten - diese Auszeichnung bringt in der Regel besondere Bestattungsmodalitäten mit sich.
Quelle: ntv.de