"Würde am Ende nur Putin helfen" "Krieg einfrieren"? Pistorius weist Mützenichs Appell zurück
18.03.2024, 19:58 Uhr Artikel anhören
Im Bundestag spricht SPD-Fraktionschef Mützenich über ein mögliches Einfrieren des Krieges in der Ukraine. Die Äußerungen sorgen innerhalb der Ampel für Unmut. Gegenwind erhält der Sozialdemokrat nun auch von Parteikollege Pistorius.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich von den Äußerungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zum Einfrieren des Ukraine-Kriegs distanziert. "Es würde am Ende nur Putin helfen", sagte Pistorius nach einem Treffen mit dem polnischen Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz in Warschau. Daran könne es nach den Erfahrungen mit dem russischen Präsidenten in den vergangenen Jahren "gar keinen Zweifel geben". Die Ukraine müsse weiter "ohne Wenn und Aber" unterstützt werden.
"Wir dürfen uns und wir können uns nicht an Krieg gewöhnen", so Pistorius weiter. Für die Bundesregierung müsse es immer darum gehen, Frieden herbeizuführen. "Aber einen Diktatfrieden darf es nicht geben und keinen Frieden, der dazu führt, oder einen Waffenstillstand oder ein Einfrieren, bei dem Putin am Ende gestärkt herausgeht und den Konflikt fortsetzt, wann immer es ihm beliebt."
Schröder springt Mützenich zur Seite
Mützenich hatte vergangenen Donnerstag in der Bundestags-Debatte über eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper gefragt: "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?" Dafür war er auch schon aus den Reihen der Koalitionspartner Grüne und FDP kritisiert worden.
Wer sich den jüngsten UN-Bericht zu russischen Kriegsverbrechen in den besetzten Gebieten durchgelesen habe, "der wird aus meiner Sicht nicht wieder darüber sprechen, dass man vielleicht den Konflikt einfrieren sollte", sagte etwa Außenministerin Annalena Baerbock vor Beginn eines Treffens der EU-Außenministerinnen und -Außenminister in Brüssel. Der Bericht lese sich "wie ein absolutes Horrorbuch".
Mützenich bekommt aber nicht nur Gegenwind. Altkanzler Gerhard Schröder nahm ihn in Schutz. "Mir scheint, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Rolf Mützenich, auf dem richtigen Weg ist. Seine Position sollte von der Partei und Fraktion unterstützt werden", forderte der 79-Jährige. Schröder ist seit seiner Kanzlerschaft von 1998 bis 2005 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet und weiterhin für die mehrheitlich russischen Gesellschaften der Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee tätig. Von der SPD-Spitze wird er ausgegrenzt, ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn scheiterte aber.
"Keine Idee, die man erwägen sollte"
Auch der polnische Minister Kosiniak-Kamysz kritisierte den Vorstoß Mützenichs. "Das ist keine Idee, die man erwägen sollte", sagte er laut offizieller Übersetzung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Pistorius. Sie sei sogar "gefährlich". Gleichzeitig erteilte der polnische Minister der Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine eine Absage. "Polen hat keine Absicht, Truppen in die Ukraine zu schicken." Das sei die Position der Regierung. "Und ich werde das wiederholen in allen Foren."
Pistorius und Kosiniak-Kamysz kündigten an, dass sie sich so bald wie möglich zu dritt mit ihrem französischen Kollegen Sébastien Lecornu treffen wollen. Die Dreier-Treffen haben Tradition, aber bisher vor allem auf Ebene der Staats- und Regierungschefs und der Außenminister. Sie werden nach dem Ort des Auftakts im Jahr 1991 als "Weimarer Dreieck" bezeichnet.
Das deutsch-polnische Verhältnis war in den vergangenen Jahren angespannt gewesen. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs hatte es Unstimmigkeiten mit Blick auf die Unterstützung Kiews gegeben. Nach der Regierungsübernahme der pro-europäischen Koalition des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, welche die rechtsnationalistische PiS-Partei im Dezember abgelöst hatte, stehen die Zeichen aber wieder auf Annäherung.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa/AFP