Kurz darauf ist er wohl tot Kritischer Militärblogger packt über Awdijiwka-Kampf aus
22.02.2024, 11:40 Uhr Artikel anhören
Russland hat Awdijiwka eingenommen - doch die ukrainischen Streitkräfte fügten den Kreml-Truppen hohe Verluste zu.
(Foto: dpa)
Militärblogger sind eine wichtige Quelle, um Informationen über die russischen Streitkräfte zu erhalten. Doch auch sie werden in der Regel vom Kreml kontrolliert. Einer der wenigen kritischen Blogger berichtet über den verlustreichen Kampf um Awdijiwka - kurze Zeit später ist er vermutlich tot.
Der prominente russische Militärblogger Andrej Morosow hat möglicherweise Selbstmord begangen. Zuvor soll er sich laut Angaben auf seinem Telegram-Kanal geweigert haben, die Anweisung des russischen Militärkommandos zur Löschung seiner Berichte über hohe russische Opferzahlen in der Umgebung von Awdijiwka zu befolgen. Morosow war Teil einer Einheit der russischen Streitkräfte. Laut Institut für Kriegsstudien (ISW) kritisierte er die russische Militärführung und das Verteidigungsministerium des Öfteren.
Morosow hatte auf seinem Kanal einen Abschiedsbrief veröffentlicht. Demnach soll ein Oberst ihm den Befehl gegeben haben, einen kritischen Bericht zu löschen. In diesem war unter anderem die Rede von 16.000 gefallenen russischen Soldaten während der Offensive auf Awdijiwka. US-Geheimdienste gingen allein für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2023 von 13.000 gefallenen Soldaten aus.
Morosow behauptete laut ISW, dass der Oberst wahrscheinlich Befehlen des russischen Militärkommandos und der politischen Führung folge. Der Militärblogger erklärte, dass er versucht habe, die Wahrheit über die russischen Gegebenheiten auf dem Schlachtfeld aufzudecken, und dass er nicht länger unter dem "missbräuchlichen Oberst" dienen könne.
Die Zustände, über die Morosow geschrieben hat, sind dabei durchaus ungewöhnlich für einen Bericht von russischer Seite. Er beschuldigte Generäle, Tausende von Soldaten zu opfern, um ihre militärische Karriere voranzutreiben. Zudem soll die Militärführung mobilisierte Soldaten zunehmend als Sperrsoldaten einsetzen - also Einheiten, die auf eigene Truppen schießen, wenn diese sich zurückziehen oder sich weigern, anzugreifen.
Weiterhin klagte Morosow in einem der letzten Beiträge auf Telegram über schlechte Ausstattung der Truppen mit Waffen, mangelnde Aufstockung des Personals nach Verlusten sowie ausbleibende medizinische Versorgung. Russischen Journalisten warf er vor, ihr Karriere auf Lügen im Fernsehen aufzubauen.
Trotz seiner vielen kritischen Töne wird laut ISW im russischen Informationsraum um Morosow getrauert - mit Ausnahme von Propagandisten und Militärbloggern, die vom Kreml kontrolliert werden. "Morosow war einer der wenigen verbliebenen unabhängigen ultranationalistischen Militärblogger, die die russische Militärführung und Regierung offen kritisierten, nachdem der Kreml und das russische Verteidigungsministerium im Juli 2023 begonnen hatten, die Kontrolle über prominente Militärblogger zu übernehmen", heißt es von den Kriegsforschern.
Russland nehme zunehmend Militärblogger ins Visier und verhafte diejenigen, die sich ähnlich kritisch wie Morosow äußerten. Seit der gescheiterten Meuterei der Wagner-Söldner würden Militärblogger deutlich weniger Kritik von sich geben - der Tod Morosows könnte dazu noch weiter beitragen.
Quelle: ntv.de, rog