"Kein deutscher Alleingang" Lambrecht und Scholz bleiben bei Panzer-Nein
12.09.2022, 15:40 Uhr
"Noch kein Land hat Kampfpanzer geliefert": Bundeskanzler Scholz und Verteidigungsministerin Lambrecht bei der Kabinettsklausur in Meseberg.
(Foto: picture alliance/dpa)
Während die Russen im Osten der Ukraine auf dem Rückzug sind, gerät die Ampel-Regierung wegen Kampfpanzer-Wünschen aus Kiew unter Druck. Verteidigungsministerin Lambrecht und Kanzler Scholz begründen das deutsche Nein mit der ablehnenden Position anderer Länder.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat sich distanziert zur Forderung der ukrainischen Regierung nach einer Lieferung westlicher Kampfpanzer geäußert. Bei einem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe in der vergangenen Woche in Ramstein habe sie ihren US-Kollegen Lloyd Austin darauf angesprochen und dabei keinen Kurswechsel festgestellt, wie sie in Berlin in einer Diskussionsrunde der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) deutlich machte. "Ich habe da zumindest diese Wahrnehmung nicht gehabt, dass es da ein Umdenken in den USA gibt dazu", sagte Lambrecht.
"Noch kein Land hat Schützen- oder Kampfpanzer westlicher Bauart geliefert, und wir haben uns darauf verständigt, auch mit unseren Partnern, dass wir da keine deutschen Alleingänge machen", sagte Lambrecht zuvor bei der Veranstaltung. Sie sprach von einem "ständigen Austausch", bei dem Deutschland an Vereinbarungen festhalte.
US-Botschafterin: "Meine Erwartungen an Deutschland sind noch höher"
Am Sonntagabend hatte sich die US-Botschafterin in Deutschland, Amy Gutmann, vorsichtig für mehr deutsche Unterstützung für Kiew ausgesprochen. Sie begrüße und bewundere, was die Deutschen für die Ukraine täten, sagte Gutmann im ZDF. "Dennoch: Meine Erwartungen sind noch höher an Deutschland." Deutschland wolle hier eine größere Führungsrolle einnehmen. "Wir hoffen und erwarten, dass Deutschland das auch erfüllen wird." Und: "Wir müssen alles machen, wozu wir in der Lage sind", sagte sie, vermied aber auf mehrere Nachfragen eine konkrete Festlegung, ob Deutschland mehr schwere Waffen liefern soll.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Nachmittag, er setze bei der militärischen Unterstützung der Ukraine weiter auf Artillerie und Flugabwehr. Auf die Frage nach einer von der ukrainischen Regierung geforderten Bereitstellung westlicher Kampfpanzer wich Scholz aus. Es "bleibt bei der Haltung, die die deutsche Regierung seit Anfang an eingenommen hat und die auch für die Zukunft unsere Haltung sein wird, nämlich dass es keine deutschen Alleingänge gibt", sagte Scholz.
Scholz antwortet ausweichend
Deutschland habe die Ukraine sehr umfassend und zusammen mit Verbündeten unterstützt. "Wir haben auch sehr effiziente Waffen geliefert, die gerade jetzt in dem gegenwärtigen Gefecht den Unterschied machen", sagte Scholz, der mit dem israelischen Regierungschef Jair Lapid vor die Presse getreten war. Scholz nannte den Flugabwehrpanzer Gepard, die Panzerhaubitze 2000, Mehrfachraketenwerfer und das Flugabwehrsystem IRIS-T.
SPD-Chefin Saskia Esken schloss die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine nicht aus, pochte aber auf internationale Abstimmung. "Alleingänge sind ausgeschlossen, und das soll auch so bleiben", sagte sie am Nachmittag in Braunschweig. Die Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg habe sich in den vergangenen Monaten immer entlang der militärischen Entwicklung verändert. "Die Waffenlieferungen der ersten Wochen waren von einer anderen Qualität als die der letzten Wochen. Insofern gibt es da eine stete Entwicklung", sagte sie.
Melnyk zu Kühnert: "Meine Güte"
Am Morgen hatte bereits SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Erwartungen an deutsche Panzer-Lieferungen an die Ukraine gedämpft. "Sehr wohl unterstützen wir aber mit den osteuropäischen Partnern den Ringtausch" sagte Kühnert auf RTL/ntv. Es gelte weiter die Aussage, "dass wir nicht schleichend hineingezogen werden wollen in den Krieg, dass wir Russland nicht dazu animieren wollen, völlig irrational am Ende zu handeln und noch ganz andere Staaten anzugreifen." Das sei ein wichtiger Aspekt in der Auseinandersetzung. Und dieser Aspekt müsse - "bei allem heißen Herzen" - immer auch bedacht werden.
Der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, reagierte entsetzt auf die Äußerungen Kühnerts. "Diese katastrophale Verweigerungspolitik der SPD und der Ampel, die Ukraine ausgerechnet in diesem kritischen Moment militärisch im Stich zu lassen, wird verheerende Folgen für die Zukunft haben. Meine Güte", twitterte Melnyk.
Anders als bei der SPD sprachen sich bereits am Wochenende Politiker von Grünen und FDP für eine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus. Auch die Union befürwortete verstärkte Unterstützung für den ukrainischen Vorstoß.
Quelle: ntv.de, mau/dpa