"Regierung handelt gegen Polen" Lech Walesa fordert Neuwahlen
23.12.2015, 11:34 Uhr
Lech Walesa war von 1990 bis 1995 Staatspräsident Polens.
(Foto: REUTERS)
Der Widerstand wächst: Nach der faktischen Entmachtung des Verfassungsgerichts stellt sich nun auch Solidarnosc-Veteran Walesa offen gegen den antidemokratischen Kurs der polnischen Regierung. Diese mache Polen "in der ganzen Welt" lächerlich.
Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa hat die neue nationalkonservative Regierung seines Landes als eine Gefahr für die Demokratie kritisiert und zu Neuwahlen aufgerufen. "Diese Regierung handelt gegen Polen, gegen das, was wir erreicht haben, Freiheit, Demokratie, ganz zu schweigen davon, dass sie uns in der ganzen Welt lächerlich macht", sagte Walesa dem Rundfunksender Zet. Er rief dazu auf, ein Referendum zu organisieren, in dem die Bevölkerung ihren Unmut mit der Regierung manifestieren und vorgezogene Parlamentswahlen fordern solle.
Die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat bei der Parlamentswahl im Oktober die absolute Mehrheit gewonnen und baut seither das politische System des Landes um. Erst am Dienstagabend hatte die Regierung nach heftigen Debatten im Parlament eine umstrittene Gesetzesänderung zum Verfassungsgericht durchgebracht, das nach Einschätzung des Gerichts dessen Unabhängigkeit beendet.
"Lebenden baut man keine Denkmäler"
In den vergangenen Wochen hatten landesweit Zehntausende Menschen gegen die Politik der nationalkonservativen und euroskeptischen PiS demonstriert. Walesa hat keine Funktion mehr im Staat. Allerdings hat der frühere Chef der Gewerkschaft Solidarität noch großen Einfluss auf die öffentliche Meinung. Als Solidarnosc-Vorsitzender hatte er in den 80er Jahren maßgeblich am Umbruch Polens von einem kommunistischen zu einem demokratischen Land mitgewirkt.
Wie stark Polen inzwischen gespalten ist, zeigte sich vor der Abstimmung im Sejm. In einer Feierstunde gedachten die Abgeordneten des polnischen Parlaments der Vereidigung des PiS-Gründers Lech Kaczynski als Präsidenten vor zehn Jahren. 2010 war er beim Flugzeugabsturz von Smolensk ums Leben gekommen. Die liberale Bürgerplattform (PO) schlug vor, auch an die Vereidigung des ersten frei gewählten Staatspräsidenten, nämlich Walesa, vor 25 Jahren zu erinnern. Die Antwort der PiS kam prompt: "Lebenden baut man keine Denkmäler."
Quelle: ntv.de, jug/dpa/rts