Politik

"Kampf für Gerechtigkeit" Letzter Chefankläger der Nürnberger Prozesse ist tot

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Mit nicht mal 30 Jahren machte Benjamin Ferencz einst ranghohen Nazis den Prozess.

Mit nicht mal 30 Jahren machte Benjamin Ferencz einst ranghohen Nazis den Prozess.

(Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT)

Als Soldat befreit Benjamin Ferencz mehrere Konzentrationslager, später klagt er als junger Mann mehr als 20 führende SS-Leute an. Nun ist der gebürtige Ungar im Alter von 103 Jahren verstorben. Auch zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine fand er zu Lebzeiten deutliche Worte.

Der Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, Benjamin Ferencz, ist tot. Er starb in einer Betreuungseinrichtung in Florida, wie US-Medien unter Berufung auf seinen Sohn Don Ferencz berichteten. Der letzte noch überlebende Ankläger der Prozesse wurde 103 Jahre alt. "Die Welt hat einen Anführer im Kampf für die Gerechtigkeit für Opfer von Genozid und damit verbundenen Verbrechen verloren", schrieb das US-Holocaust-Museum bei Twitter.

Ferencz wurde 1920 im damals ungarischen Siebenbürgen als Sohn orthodoxer Juden geboren und wanderte als Kind mit seinen Eltern in die USA aus. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen in New York auf und studierte dank eines Stipendiums später an der Elite-Universität Harvard. Der Jurist war nicht einmal 30 Jahre alt, als er Nazi-Kriegsverbrechern in Nürnberg den Prozess machte.

Vom 20. November 1945 an mussten sich in Nürnberg führende Nationalsozialisten und damit erstmals in der Geschichte Vertreter eines Unrechtsregimes vor Gericht verantworten. Die alliierten Siegermächte stellten 21 ranghohe Kriegsverbrecher wie Adolf Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und Reichsmarschall Hermann Göring vor ein internationales Gericht. Der Prozess endete nach fast einem Jahr mit zwölf Todesurteilen.

Ferencz war Chefankläger in einem der zwölf sogenannten Nachfolgeprozesse, die von 1946 bis 1949 auf das Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher folgten. 24 führende SS-Leute klagte er unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an. Vor den Prozessen war er als US-Soldat bei der Befreiung mehrerer Konzentrationslager dabei.

"Geburtshelfer" des Strafgerichtshofs

Die Sühnung der deutschen Kriegsverbrechen wurde zu seinem großen Lebensthema. Die historische Rolle des Juristen geht aber über die Bedeutung der damaligen Kriegsverbrecherprozesse hinaus. Denn Ferencz fügte nicht nur den Begriff "Genozid" in die Gerichtspraxis ein, er gilt auch als einer der Geburtshelfer des Internationalen Strafgerichtshofs. Mit fast 90 Jahren eröffnete er 2009 symbolisch das erste Plädoyer der Anklage des Gerichts in Den Haag.

Den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nannte Benjamin Ferencz "den ungeheuerlichsten Fall eines Verbrechens der Aggression seit Jahrzehnten". Der Internationale Strafgerichtshof erließ vor wenigen Wochen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Quelle: ntv.de, rog/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen