Gericht macht strenge Auflagen Lina E. kommt aus der Untersuchungshaft frei
31.05.2023, 20:59 Uhr Artikel anhören
"Free Lina" fordern ihre Unterstützer: Lina E. wurde zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Lina E. - erst am Vormittag wegen Gewalttaten zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt - kommt vorerst frei. Unter Auflagen könne sie die U-Haft verlassen, bis das Urteil rechtskräftig ist, entschied das Gericht. Als die Haftverschonung verkündet wird, sind in mehreren Städten bereits Demonstrationen im Gange.
Das Oberlandesgericht Dresden hat die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Trotzdem kommt die 28 Jahre alte Studentin nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei: Der Haftbefehl wurde unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, falls das Urteil rechtskräftig ist - das Gericht ließ Revision zu, die Verteidigung will davon Gebrauch machen.
Die Verurteilte muss sich nun zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, darf den in der Akte vermerkten Wohnsitz nur mit Zustimmung des Gerichts wechseln und muss nach ihrem Reisepass auch den Personalausweis abgeben. Das Gericht blieb mit dem verhängten Strafmaß unter den Anträgen der Bundesanwaltschaft, die der Angeklagten eine "militant- linksextremistische Ideologie" bescheinigt hatte. Für die aus Kassel in Hessen stammende junge Frau hatte sie acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert.
Die Unterstützer von Lina E. brachen in Jubel aus, als der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats am Abend die Aussetzung des Haftbefehls verkündete. Bei der Verkündung des Strafmaßes am Vormittag war die Stimmung noch ganz anders: Sie skandierten Sprechchöre, erklärten den Vorsitzenden Richter zum "Fascho"-Freund und geißelten die "Scheiß-Klassenjustiz". Die mehr als neun Stunden dauernde Urteilsverkündung wurde wegen kleiner Tumulte mehrfach unterbrochen.
Die Entscheidung zum Haftbefehl löste vor allem bei der Mutter der 28-Jährigen freudige Überraschung aus, die in frenetischem Beifall und Gejohle der Unterstützer um sie herum gipfelte. "Fünf Jahre, drei Monate ist für jemanden in ihrem Alter und auch sonst heftig und gravierend", hatte Schlüter-Staats einleitend zu der aus Kassel (Hessen) stammenden Studentin gesagt. Die "größte Hypothek des Verfahrens ist der Status, den sie hier erlangt haben", bemerkte er noch persönlich.
Gegen die drei Mitbeschuldigten von Lina E. verhängte die Staatsschutzkammer Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten und drei Jahren und drei Monaten. Nach Ansicht der Kammer sind Lina E. und ein gleichaltriger Mann der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig; ein 37-Jähriger und ein weiterer 28-Jähriger wegen deren Unterstützung. E. und zwei der Männer mussten sich zudem wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, der andere wegen einer Beihilfe dazu.
Solidaritätsdemos in mehreren Städten
In mehreren Städten gab es am Mittwochabend Proteste gegen das Urteil. So zogen einige Hundert Demonstranten durch Dresden, auch in Berlin und Hamburg gab es Solidaritätsdemos von Sympathisanten aus der linken Szene. Die Polizei bezifferte die Teilnehmerzahl in der Bundeshauptstadt auf rund 500. Die Demonstration sei weitgehend friedlich verlaufen, es habe auch einige Rangeleien gegeben, hieß es. In Leipzig kamen am Abend ebenfalls rund 500 Demonstranten zusammen. Die Versammlung wurde gegen 21.40 Uhr beendet, nachdem Flaschen und Pyrotechnik in Richtung von Polizisten geflogen waren. In der Nähe des Versammlungsortes musste die Polizei außerdem eine Barrikade räumen. In Bremen kam es am Abend zu Ausschreitungen.
Für kommenden Samstag war bundesweit zu Demos aufgerufen worden. Im Internet tauchten Drohungen auf, wonach für jedes Jahr Haft in Leipzig ein Sachschaden von einer Million Euro angerichtet werden soll. Unklar ist, ob die Aufhebung des Haftbefehls zu einer Entspannung der Lage beiträgt.
Quelle: ntv.de, als/ino/dpa