"Damit müssen wir auskommen" Lindner fordert dreijähriges Moratorium bei Sozialausgaben
23.02.2024, 11:51 Uhr Artikel anhören
Finanzminister Lindner zieht sich den Zorn des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zu.
(Foto: dpa)
Klamme Kassen, lahmende Konjunktur und der Wunsch, mehr für die Rüstung auszugeben - in dieser Gemengelage sieht Finanzminister Lindner in den kommenden Jahren keinen Spielraum für neue Sozialausgaben. Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnet diese Haltung als "zerstörerisch".
Bundesfinanzminister Christian Lindner plädiert angesichts der konjunkturellen Schwäche in Deutschland dafür, drei Jahre lang keine neuen Sozialleistungen einzuführen. Es sei quasi ein Volkssport geworden, ständig neue Subventionen und höhere soziale Leistungen zu beschließen. "Mit dem, was wir an Bestand haben, von Bürgergeld bis Rente, damit müssen wir einmal drei Jahre auskommen", sagte der FDP-Chef im belgischen Gent.
Lindner sagte, Deutschland könne seine NATO-Verpflichtungen erfüllen, ohne die soziale Sicherheit in Deutschland einzuschränken. "Das Einzige, was wir tun müssen ist, einige wenige Jahre nichts Zusätzliches beschließen."
Es gebe ja regelmäßige Erhöhungen dieser Leistungen aufgrund der Koppelung an Lohn- und Kostensteigerungen. Diese seien natürlich in Ordnung, aber neue Leistungen wie etwa die Rente mit 63 könne es vorerst nicht mehr geben.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, wies den Vorstoß zurück. Angesichts von über 14 Millionen einkommensarmen Menschen in Deutschland, der enormen demografischen Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft stehe, und horrender Zahlen fehlender Erzieherinnen und Erzieher, Lehr- oder Pflegekräfte sei es "gesellschaftspolitisch geradezu zerstörerisch, den Verteidigungsetat ausgerechnet gegen Sozialausgaben ausspielen zu wollen", sagte er der Funke-Mediengruppe.
"Einen Kahlschlag beim Sozialstaat wird es mit der SPD nicht geben", sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde, der "Rheinischen Post". "Es wäre brandgefährlich, jetzt bei den Schwächsten zu sparen, um an anderer Stelle aufzustocken. Unsere Demokratie funktioniert nur im Dreiklang aus äußerer, innerer und sozialer Sicherheit."
"Wir haben bereits relativ viel"
FDP-Chef Lindner hatte in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" erstmals ein dreijähriges Moratorium für Sozialausgaben, Subventionen und andere Leistungen ins Gespräch gebracht. "Mir geht es nicht darum, dass wir jetzt Dinge abschaffen müssen. Darüber kann man auch diskutieren." Wichtig sei jedoch, dass nichts Neues hinzukäme. "Wir haben bereits relativ viel", gab er zur Begründung an. Hintergrund ist die Zusage der Bundesregierung an die NATO, ab diesem Jahr erstmals Verteidigungsausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erreichen. Im laufenden Jahr erreicht Deutschland die NATO-Quote nach Bündnisangaben mit 2,01 Prozent nur ganz knapp.
Grünen-Chefin Ricarda Lang erwiderte in der Sendung: "Wir dürfen die Sicherheit nach außen nicht gegen soziale Sicherheit im Land ausspielen." Es werde nicht gelingen, diese Aufgaben aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. "Dafür müssen wir andere Möglichkeiten finden."
Clemens Fuest, der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts IFO, ging davon aus, dass auch an Kürzungen im Sozialbereich kein Weg vorbeiführen werde. "Kanonen und Butter - das wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist Schlaraffenland. Das geht nicht. Sondern Kanonen ohne Butter." Der Sozialstaat werde weiter finanziert. "Aber er wird halt kleiner ausfallen."
Quelle: ntv.de, jog/rts/AFP/dpa