Wirtschaftstalk bei Illner "Selbst dieses Gesetzle kriegen wir nicht hin"
23.02.2024, 06:28 Uhr Artikel anhören
Spardruck einerseits. Investitionsbedarf andererseits - wie geht das zusammen? Bei Maybrit Illner beredeten das Finanzminister Lindner, VDMA-Vize Kawlath, Grünen-Chefin Lang und IFO-Chef Fuest.
Der Bundestag debattiert über den aktuellen Jahreswirtschaftsbericht. Der sieht nicht gut aus. In der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" diskutieren die Gäste darüber, wie der Wirtschaftsstandort attraktiver werden könnte. Allenthalben bestürzt ist man, dass das Wachstumschancengesetz feststeckt.
Deutschlands Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr deutlich geringer ausfallen als ursprünglich erwartet. Statt den anvisierten 1,3 Prozent werden es vermutlich nur 0,2 Prozent sein. Auf den Bund kommen in den nächsten Jahren jedoch wichtige Ausgaben zu. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht die Regierung zum Sparen gezwungen. Wie das funktionieren kann, will am Donnerstagabend Maybrit Illner in ihrer ZDF-Talkshow von ihren Gästen wissen.
Eingeladen sind unter anderem Grünen-Chefin Ricarda Lang und Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP. Beide haben Förderungsrezepte, die unterschiedlicher kaum sein können. Während Lang sich vor allem für staatliche Investitionen ausspricht, möchte Lindner Steuern für die Unternehmen senken. Noch in diesem Jahr will er eine Unternehmenssteuerreform auf den Weg bringen.
Kurzfristige Erleichterungen für Unternehmen könnte das Wachstumschancengesetz bringen, das zurzeit im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat festhängt. Die Union will dem Gesetz aber nur zustimmen, wenn die Ampel gleichzeitig die geplante Abschaffung der Agrardiesel-Subvention wieder zurücknimmt. "Parteitaktische Spielchen", nennt Lang das Vorgehen von CDU und CSU bei Illner.
Lindner: Wehrhaftigkeit ist "Existenzfrage"
Ein weiterer Kostenpunkt sind die am Donnerstagvormittag im Bundestag beschlossenen Hilfen für die Ukraine. Die Bundesregierung müsse zwei Dinge beachten: Die Unterstützung der Ukraine und die Frage, wie man in Zukunft bei der Verteidigung auf eigenen Beinen stehen könne, erklärt Lang. "Beides wird nicht funktionieren, wenn wir nicht mehr Geld investieren", sagt die Grünen-Vorsitzende. Außerdem müsse das Beschaffungswesen reformiert, also effizienter werden. Gleichzeitig müsse man die Verteidigung europäisch denken. Schließlich dürften durch die Mehrausgaben für Verteidigung nicht die Sozialleistungen sinken. "Das wird nicht aus dem laufenden Haushalt gelingen. Dafür müssen wir andere Möglichkeiten finden." Lang unterstützt die Forderung von Bundesaußenministerin Baerbock, die vor kurzem eine deutliche Anhebung des Sondervermögens für die Bundeswehr gefordert hatte.
Auch Lindner verlangt, mehr für die eigene Wehrhaftigkeit zu tun. "Das ist eine Existenzfrage", sagt er bei Illner. Und eine europäische: "Deutschland kann nicht mehr tun, damit andere weiterhin zu wenig tun", so Lindner. Auch er will höhere Ausgaben für den Wehrbereich. "Weil es eine dauerhafte, ich vermute Jahrzehnte währende Aufgabe ist, muss das im Rahmen der regulären Staatsfinanzen passieren", so der Minister. Dazu wiederum müsse Deutschland sehr viel mehr tun für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Lindner: "Wirtschaftliche Stärke ist ein wesentlicher Faktor der Geopolitik, und hier müssen wir sehr aufholen." Dafür dürfe nicht die soziale Sicherheit eingeschränkt werden. Allerdings müssten mehr Bürgergeldbezieher in Arbeit kommen.
Um mehr Geld ausgeben zu können, müsse das Land zudem mehr prosperieren, fordert Lindner. "Aber das Wichtigste ist, dass nicht immer neue Subventionen, neue Sozialausgaben, neue Standards dazukommen. Wir haben bereits relativ viel. Wenn es uns gelänge, mal drei Jahre mit dem auszukommen, was wir haben, das wäre ein großer Schritt zur Konsolidierung." Dem Bundeshaushalt stehen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr 60 Milliarden Euro weniger zur Verfügung, die auf die vier Haushalte nach dem Urteil aufgeteilt werden, angefangen mit dem Haushalt des laufenden Jahres. Ab 2028 hat der Bundeshaushalt wieder seine volle Höhe.
"Machen ist wie wollen, nur krasser"
Der Chef des IFO-Instituts in München, Clemens Fuest, fordert die Bundesregierung darum auch im Zusammenhang mit steigenden Militärausgaben zu einem deutlicheren Sparkurs auf. Wenn man mehr für die Rüstung ausgeben müsse, stehe weniger Geld für andere Ausgaben zur Verfügung. "Kanonen und Butter - wäre schön, wenn das ginge, aber das ist Schlaraffenland, das geht nicht", sagt der Ökonom. Genau wie Lindner fordert Fuest: Deutschland müsse mehr produzieren.
"Machen ist wie wollen, nur krasser", sagt Bertram Kawlath. Er ist Vizepräsident beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Und er sieht ein Problem in Deutschland: Die Bundesregierung wolle viel, auch viel Gutes, doch das gehe dann im Regulierungssumpf oder im Zwist der Parteien unter. "Das Wachstums-Chancengesetz ist ein schönes Beispiel. Es ist gut gewollt, es stehen viele gute Dinge drin. Aber es wird immer weiter geschrumpft. Wir sprachen mal von einem Entlastungsvolumen von sieben Milliarden Euro, das ist nun auf 3,5 Milliarden runtergegangen, aber selbst dieses Gesetzle kriegen wir nicht hin", kritisiert Kawlath.
Ein wichtiger Punkt, der jetzt finanziert werden muss, ist die Transformation der Wirtschaft. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansätze zwischen FDP und Grünen. Während Lang sich auch hier für staatliche Investitionen ausspricht, setzt Lindner auf das Engagement der Unternehmen.
Fuest ist für einen Kompromiss. Er fordert Subventionen, aber mit Augenmaß. "Man muss bei jeder Subvention sehr genau hinschauen und sehr genau begründen." So seien Investitionen in Pilotprojekte sinnvoll, meint Fuest. Kawlath warnt dagegen: "Die Subvention in Einzelprojekte hat eine große Gefahr: Dass wir Risiken sozialisieren." Zudem würden sie nur selten mittelständische Unternehmen treffen. Wichtig sei, dass Deutschland Wachstum wieder lerne. Doch das Wichtigste für die Unternehmen seien kurzfristig das Wachstumschancengesetz und weitere Hilfen, sagt Kawlath: "Wenn wir das nicht auf die Rolle kriegen in Deutschland, dann wird unsere Zukunft nicht schön. Und wir müssen diese Wirtschaft wieder ans Laufen bringen."
Quelle: ntv.de