Bereit zu Neuverschuldung Lindner und Baerbock betonen Einigkeit der Ampel
27.02.2022, 13:45 Uhr
Vor dem Bundestag wehten die europäische und die ukrainische neben der deutschen Flagge.
(Foto: imago images/Fotostand)
Die Ampelkoalition bekommt kaum Schonzeit, sondern muss sich gleich unter Kriegsbedingungen bewähren. Im Bundestag machen Finanzminister Lindner für die FDP und die Grünen-Außenministerin Baerbock deutlich, dass sie mit Bundeskanzler Scholz an einem Strang ziehen.
In der Ukrainekrise betonen die Ampelpartner FDP und Grüne die große Geschlossenheit der Bundesregierung. Nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen auch Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP und die grüne Außenministerin Annalena Baerbock.
Lindner rief angesichts der Sanktionen gegen Russland mit Auswirkungen auch auf Deutschland zum Durchhalten auf. "Diese Sanktionen sind auf Dauer", sagte der FDP-Chef in einer Sondersitzung des Bundestags. "Wir brauchen einen langen Atem, wir haben diesen langen Atem." Deutschland sei bereit, die negativen Auswirkungen der Sanktionen auch hierzulande zu tragen - "denn sie sind der Preis der Freiheit".
Die Finanzsanktionen seien so gewählt, dass sie Putin keinen Vorwand gäben, notwendige Rohstofflieferungen auszusetzen. Zugleich erreichten sie aber, dass es mit Russland kein "business as usual" gebe. Das Thema Energiesicherheit bekomme in Deutschland eine neue Priorität. Dabei dürfe man nicht auf Antworten aus der Vergangenheit setzen. "Erneuerbare Energien lösen uns von Abhängigkeiten. Erneuerbare Energien sind deshalb Freiheitsenergien", betonte Lindner.
Zur geplanten Milliarden-Unterstützung für die Bundeswehr sagte Lindner: "Der Krieg in der Ukraine weckt uns alle aus einem selbstgerechten Traum." Die Bundeswehr sei jahrelang vernachlässigt worden, damit müsse es jetzt vorbei sein. Der laufende Betrieb der Bundeswehr müsse aus den normalen Haushalten unter Achtung der Schuldenbremse finanziert werden. Die jahrelange Vernachlässigung aber könne man so nicht korrigieren. Deshalb solle es ein Sondervermögen - und damit auch neue Schulden - geben. Die Kredite seien in der aktuellen Weltlage eine Investition in die Freiheit, sagte Lindner.
Das Sondervermögen solle über das Grundgesetz abgesichert werden, dort solle auch festgelegt werden, dass das Geld ausschließlich "für die Stärkung unserer Bündnisfähigkeit" gedacht sei. Hierfür warb Lindner um Unterstützung der Union, denn der Koalition aus SPD, Grünen und FDP fehlt allein die nötige Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes. "Wir werden nicht danach fragen, wer die Verantwortung für den Zustand der Bundeswehr hat", versprach Lindner. Er erwarte aber, dass die Union das Vorhaben unterstütze.
Lindner betonte, Putin habe die Ukraine angegriffen, "weil sich ein souveräner Staat in freier Selbstbestimmung dafür entschieden hat, den Weg nach Westen zu gehen." Die Ukraine sei ein souveräner Staat und habe sich gegen Autoritarismus und für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entschieden. Deshalb sei der Angriff auf die Ukraine "ein Angriff auf uns alle". Es gehe jetzt darum, Russland zu isolieren - "wirtschaftlich, finanziell und politisch".
"Putin wollte diesen Krieg"
Außenministerin Annalena Baerbock betonte in ihrem Redebeitrag, der Westen habe "bis zur letzten Minute" versucht, den Konflikt mit diplomatischen Mitteln zu lösen. Aber: "Putin wollte diesen Krieg", sagte Baerbock im Bundestag. Der Kreml habe den Westen lediglich hingehalten und belogen. Die Grünen-Politikerin verteidigte zugleich die Kehrtwende der Bundesregierung, jetzt doch Waffen an die Ukraine zu liefern.
"Wir dürfen die Ukraine nicht wehrlos dem Aggressor überlassen, der Tod und Verwüstung über dieses Land bringt", so Baerbock. "Wenn unsere Welt eine andere ist, dann muss auch unsere Politik eine andere sein." Ein Land wie Deutschland, das über eine Parlamentsarmee und "umfassende demokratische Kontrolle" verfüge, müsse es "sich erlauben, in Fragen von Krieg und Frieden in voller Verantwortung zu entscheiden". Es handele sich um "mehr als die Lieferung von Fahrzeugen, Waffen und Raketen", betonte die Ministerin: "Es ist eine klare Botschaft an Wladimir Putin: Das Preisschild dieses Krieges gegen unschuldige Menschen und der Bruch mit der Charta der Vereinten Nationen wird für das System Putin ein untragbares sein."
Die Außenministerin betonte, die Sanktionen gegen Russland müssten langfristig angelegt sein. Mittel- und langfristig werde der Krieg Russland ruinieren. Deutschland und die EU müssten jedoch "sicherstellen, dass uns nach drei Monaten nicht die Puste ausgeht." Die Sanktionen müssten "das System Putin im Kern treffen" - wirtschaftlich, finanziell und individuell.
Baerbock verwies darauf, dass es sich um eine Ausnahmesituation handele. "Wir werden bei Waffenexporten und Einsätzen weiter aus tiefer Überzeugung zurückhaltend sein", erklärte Baerbock, die sich während ihrer Rede auch an den auf der Ehrentribüne sitzenden ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk wandte. "Wir lassen Sie nicht alleine!", versicherte sie.
Mit Blick auf den Ausschluss russischer Banken aus Swift sagte Baerbock: "Die bittere Realität ist: Keine Sanktion kann diesen Wahn in diesem Moment gerade stoppen - auch nicht Swift." Putins "perfides Spiel" sei "auf Strecke angelegt". Das müssten auch die Sanktionen sein, erklärte Baerbock. Sie warnte vor einer "umfassenden Abkopplung" Russlands von Swift, die "breitflächig und ungezielt wirken" und auch Europa hart treffen würde. "Nichts wäre gewonnen, wenn wir selbst in eine Energie- oder Wirtschaftskrise rutschen." Deshalb brauche es eine "gezielte Einschränkung", die den Kreml "härter trifft als uns selbst", erklärte die Außenministerin.
Quelle: ntv.de, sba/dpa