Ukraine meldet Fortschritte London: Russen-Rückzug bei Bachmut "chaotisch"
13.05.2023, 11:50 Uhr Artikel anhören
Ukrainische Panzer bei Bachmut: Mittlerweile räumt auch Moskau die Erfolge der gegnerischen Truppen ein.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Schlacht um Bachmut nimmt in den vergangenen Tagen eine Wendung: Ukrainischen Truppen gelingen an mehreren Stellen Vorstöße durch die russischen Linien. Moskau räumt einen Rückzug teilweise ein. Laut britischen Geheimdiensten erfolgt dieser auf chaotische Weise.
Nach offenbar erfolgreichen Gegenangriffen ukrainischer Truppen bei Bachmut werden neue Einschätzungen zur Lage in der umkämpften Region bekannt. So soll der Rückzug russischer Truppen nach Ansicht britischer Militärexperten chaotisch erfolgt sein, wie es im täglichen Geheimdienstbericht zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London heißt. Ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums hatte einen Rückzug russischer Truppen bei Bachmut eingeräumt, um "die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen".
Die ukrainische Armee bestätigte Fortschritte in "einigen Gebieten" um die seit Monaten heftig umkämpfte Stadt Bachmut im Osten des Landes. "Unsere Soldaten rücken in einigen Gebieten der Front vor, und der Feind verliert Ausrüstung und Personal", teilte der Befehlshaber der ukrainischen Bodentruppen, Oleksandr Syrskyj, im Onlinedienst Telegram mit. Die Verteidigungsoperation in Richtung Bachmut gehe weiter.
Ukraine: "Erhebliche Verluste" auf russischer Seite
Am Vortag hatte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar in Onlinenetzwerken mitgeteilt, die ukrainische Armee habe zwei Kilometer Gebiet nahe Bachmut zurückerobert. Die russische Seite habe "erhebliche Verluste" erlitten. Die Ukraine habe hingegen in Bachmut seit Wochenbeginn "keine einzige Stellung aufgegeben", erklärte Malijar.
Wie das britische Verteidigungsministerium berichtet, hätten Teile der 72. Mot-Schützenbrigade ihre Stellungen an der südlichen Flanke des russischen Bachmut-Einsatzes in den vergangenen Tagen wohl auf ungeordnete Weise verlassen. Den ukrainischen Streitkräften sei es gelungen, Territorium auf einer Tiefe von mindestens einem Kilometer zurückzugewinnen. Der Bereich sei von taktischer Bedeutung, weil er einen russischen Brückenkopf auf der westlichen Seite des Donez-Donbass-Kanals darstellte.
"Schwerwiegender Mangel" bei Russen
Die Einheit des 3. russischen Armeekorps, die erst im Herbst 2023 zusammengestellt wurde, habe bereits den Ruf schlechter Moral und geringer Kampfkraft. "Ihr Einsatz in einem so herausfordernden und wichtigen Sektor unterstreicht den schwerwiegenden russischen Mangel an glaubhaften Kampftruppen", hieß es weiter. Das Verteidigungsministerium in London veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.
Auch gibt es laut dem US-Institut für Kriegsstudien (ISW) Belege dafür, dass die Ukrainer nordwestlich von Bachmut Gelände gutmachen konnten, wie das ISW in seinem täglichen Lagebericht schreibt. Anhand von geolokalisiertem Bildmaterial will das ISW festgestellt haben, dass russische Truppen vor ukrainischem Artilleriebeschuss am Südufer des Berchiwske-Stausees, etwa vier Kilometer nordwestlich von Bachmut, flüchten. Als Beleg nannte das Institut auf Twitter veröffentlichte Videos. Dem Institut zufolge bestätigt dieses Filmmaterial auch die Behauptungen einiger russischer Militärblogger, dass ukrainische Truppen nordwestlich von Bachmut in der Gegend zwischen Bohdaniwka und Berchiwka Fortschritte gemacht haben.
Russische Quellen warnen vor Einkesselung
Das ISW berichtet zudem davon, dass mehrere russische Quellen vor einem Versuch der Einkreisung Bachmuts durch ukrainische Truppen warnten. Die Stadt ist zum Großteil von russischen Truppen der Wagner-Gruppe eingenommen. Der Chef der russischen Privatarmee, Jewgeni Prigoschin, sprach nun aber von einer Niederlage. Die Ukraine habe eine Anhöhe vor der Stadt besetzt und die wichtigste Straße nach Bachmut unter ihrer Kontrolle. Ein Sprecher der Ost-Gruppe der ukrainischen Streitkräfte sagte dazu, seine Truppen hätten "in drei Tagen der Gegenoffensive ein Gebiet von 17,3 Quadratkilometern befreit".
Ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenko, hatte den Rückzug russischer Truppen bestätigt. Diese hätten sich nach ukrainischen Angriffen aus einem Gebiet nördlich der umkämpften Stadt Bachmut zurückgezogen. Die Truppen hätten 26 ukrainische Angriffe abgewehrt, aber in einem Gebiet das Feld geräumt, um sich neu zu formieren.
Selenskyj: Moskau stellt sich auf Niederlage ein
Ob es sich bei den ukrainischen Vorstößen bei Bachmut um die lange erwartete Gegenoffensive handelt, wird aus Kiew bisher noch nicht offiziell bestätigt. Auf die Frage, wann die geplante Gegenoffensive gegen die russischen Angreifer beginnen werde, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba: Statt zu fragen, wann sie beginnen werde, solle man lieber fragen, ob man genug dafür getan habe, damit sie beginnen und erfolgreich sein könne. "Wir wollen, dass sich jeder auf diese Frage konzentriert", fügte er hinzu.
Gleichzeitig gibt man sich in der ukrainischen Hauptstadt siegessicher: Laut Präsident Wolodymyr Selenskyj stelle sich Russlands Führung bereits auf eine Niederlage im Krieg gegen sein Land ein. "In ihren Köpfen haben sie diesen Krieg bereits verloren", sagt Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Wir müssen täglich Druck auf sie ausüben, damit sich das Gefühl der Niederlage bei ihnen in Flucht, Fehler und Verluste verwandelt."
Quelle: ntv.de, kst/dpa/rts