"Für Russland nur Fleisch" Wagner-Söldner erhalten Suizid-Befehl


Tausende Wagner-Kämpfer sind bereits im Krieg gefallen - viele von ihnen wurden absichtlich geopfert.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Im Krieg gegen die Ukraine sticht die Söldnergruppe Wagner mit besonders bestialischen Methoden hervor. Auch gegenüber ihren eigenen Kämpfern gehen sie erbarmungslos vor. Das beweisen zuletzt neue Videos, in denen Söldner aus Angst und auf den Befehl der eignen Miliz hin Selbstmord begehen.
Spätestens, als im vergangenen Jahr ein Video im Netz die Runde machte, auf dem einem Wagner-Söldner von Kameraden mit einem Hammer der Kopf zerschmettert wurde, wusste jeder Bescheid: Die Miliz von Jewgeni Prigoschin ist brutal und extrem gefährlich - auch für die eigenen Männer. Jetzt kursieren neue Filme auf Telegram, die das erneut bestätigen. Darauf ist zu sehen, wie verwundete Wagner-Söldner sich selbst das Leben nehmen. Ein Phänomen, das immer öfter vorkommt und von größter Verzweiflung unter den Kämpfern zeugt.
Es gebe mittlerweile fünf dieser sehr grausamen Videos, sagt Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheers, ntv.de. "Ein Video zeigt, wie ein Wagner-Angehöriger, der von einer Drohne getroffen wird, sich dann selbst erschießt. Ein zweites Video zeigt ebenfalls einen Wagner-Kämpfer, der sich nach einem solchen Treffer mit einer Handgranate in die Luft sprengt." Beide Aufnahmen wurden außerhalb der Stadt Bachmut gemacht, nordwestlich von Chromowe. Dort verläuft die Straße 0506. Wagner-Truppen haben im Knick dieser Straße Richtung Westen ein Stellungssystem aufgebaut, nah am Frontverlauf. Von dort aus versuchen sie, näher an ukrainische Stellungen zu kommen.
"Hier sieht man ganz besonders, dass das, was die Ukraine sagt, stimmt. Wagner-Kämpfer werden sinnlos ins Gefecht geschickt und fallen zu Hunderten", sagt Reisner. Wegen Drohnen-Aufnahmen sei das auch bildlich ganz klar sichtbar. "Es zeigt, wie unbarmherzig die Russen hier vorgehen und wie wenig Menschenleben zählt."
Dass sich Wagner-Kämpfer selbst das Leben nehmen, hat dem Militärexperten zufolge zwei Gründe. Auf russischer Seite werde in einschlägigen Kanälen, aber auch auf Flugblättern dazu aufgefordert, nach "vorne zur Front" zu gehen und zu fallen, aber sich nicht in Gefangenschaft nehmen zu lassen. "Sie sagen: 'Bevor du dich gefangen nimmst, spreng dich in die Luft.'" Viele machen das, weil die russische Propaganda ihnen zuvor eingebläut hat, dass ihnen in ukrainischer Gefangenschaft sonst die Genitalien abgeschnitten werden oder ähnlich grausame Dinge.
"Shtrafbat" folgt Tradition aus Zweitem Weltkrieg
Es gebe zudem Bilder von Wagner-Söldnern, die von der Front zurückkehren und dann von ihren eigenen Kommandeuren erschossen werden. Das folgt einer Tradition aus dem Zweiten Weltkrieg. Auf russischer Seite gab es damals sogenannte "Shtrafbat". Das kommt vom deutschen Wort Strafbataillon, das übernommen und russifiziert wurde. "In den Shtrafbats wurden Strafgefangene eingesetzt. Die wurden häufig zu Beginn eines Angriffs an die Front geschickt, um deutsche Stellungen anzugreifen und dazu zu zwingen, Munition zu verbrauchen", erklärt Reisner. Erst anschließend griffen andere Einheiten ein, in der Hoffnung, dass die deutsche Munition schon verbraucht war.
Das Heimtückische an der Sache: Die Shtrafbats konnten nicht zurück, weil sie sonst von den eigenen Leuten erschossen worden wären. So eine Situation sehe man nun bei den Wagner-Kämpfern wieder, sagt Reisner. Das Risiko, dass sie im Maschinengewehr- und Artilleriefeuer des Gegners sterben, ist extrem hoch, weil sie in einer völlig aussichtslosen Situation angreifen. Gleichzeitig werden die Männer in den Kampf gezwungen, wissend, dass sie, wenn sie sich weigern, an die Front zu gehen, sterben werden. Es ist die Todesangst, die hier motivieren soll.
Ukrainer lotsen Russen mit Drohne über Schlachtfeld
"Letztlich sind sie Kanonenfutter. Das bedeutet, dass sie Soldaten in einem sinnlosen Kampf opfern, indem man sie gegen feindliche Stellungen auflaufen lässt", sagt Reisner. Die Russen hätten ein ganz anderes Verständnis vom Menschen. "Es ist eine sehr archaische Gesellschaft." Wichtig zu verstehen sei auch die Rolle Prigoschins im russischen System. Die sei bei Weitem nicht so prominent, wie oft angenommen werde, so der Experte. Die Führungsstruktur sei ganz anders als die westliche. Die Wagner-Miliz habe aus russischer Sicht überhaupt keine Bedeutung, auch wenn sie eine wichtige Aufgabe erfülle.
Das liegt vor allem daran, dass die Truppe hauptsächlich aus Strafgefangenen besteht - aus Menschen also, die in der Logik des russischen Strafgefangenensystems außerhalb der Gesellschaft stehen. Das ist auch einer der Gründe für die Kriminellen, sich der Wagner-Gruppe anzuschließen, denn nur so haben sie die Möglichkeit, wieder in die Zivilgesellschaft zurückzukehren.
Oft wissen die Männer nicht, was sie im Krieg erwartet. Sie werden aufs Schlachtfeld geschickt, wo sie dann gefangen sind, weil sie nicht mehr zurückkönnen. "In einem weiteren Video ist zu sehen, wie sich zwei Soldaten das Leben nehmen. Die Ukrainer haben dann mit einer Drohne ein Stück Papier, das um einen Stein gewickelt war, abgeworfen und den dritten Soldaten dazu aufgefordert, sich zu ergeben", erzählt Reisner. Die Drohne habe ihn dann von den Stellungen auf die ukrainische Seite hinübergeführt. Auf Bildern sei zu erkennen, wie verzweifelt der Soldat aussah. "Wagner-Söldner sind für die Russen nur Fleisch."
Quelle: ntv.de