Politik

Präsident reagiert auf Proteste Lukaschenko will wohl Verfassung ändern

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Hunderttausende protestieren in Belarus weiter gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug von Präsident Lukaschenko. Der gibt sich plötzlich kompromissbereit - bei einer Ansprache verspricht er die Verfassung zu ändern, um Neuwahlen zu ermöglichen. Mit den Protesten, so Lukaschenko, habe das aber nichts zu tun.

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko ist nach den tagelangen Protesten gegen seinen Amtsverbleib nach eigenen Worten zu weitgehenden Zugeständnissen bereit. Die amtliche Nachrichtenagentur Belta zitierte ihn mit den Worten, er stimme einer Änderung der Verfassung und einer Umverteilung der Machtverhältnisse zu - allerdings nicht auf Basis von Protesten auf der Straße. Die Nachrichtenagentur RIA berichtete zudem, Lukaschenko stimme Neuwahlen zu, sobald eine neue Verfassung in Kraft sei. Zuvor hatte der Machthaber dies vehement abgelehnt.

In einer Videobotschaft aus ihrem Exil in Litauen sagt Oppositionsführerin Tichanowskaja, sie sei bereit, als nationale Führerin zu agieren.

In einer Videobotschaft aus ihrem Exil in Litauen sagt Oppositionsführerin Tichanowskaja, sie sei bereit, als nationale Führerin zu agieren.

(Foto: picture alliance/dpa)

Lukaschenko betonte vor streikenden Arbeitern die Arbeit an einer Verfassungsreform habe bereits begonnen. Damit könne die Macht neu aufgeteilt werden. "Ja, ich bin kein Heiliger, Ihr kennt meine harte Seite", sagte er demnach und fügte hinzu: "Wir werden die Änderungen (der Verfassung) einem Referendum unterziehen, und ich werde meine konstitutionelle Macht abgeben." Die Auswirkungen des anhaltenden Streiks zahlreicher Arbeiter spielte er herunter. "Die, die arbeiten wollen, sollen arbeiten, wenn sie nicht arbeiten wollen, nun, dann werden wir sie nicht dazu zwingen", wurde er zitiert. Die Medienplattform Tut.By berichtete, dass auch Arbeiter von Belaruskali, einer der weltweit größten Hersteller von Kaliumkarbonat, mit dem Ausstand drohten. Laut russischer Nachrichtenagentur Tass kam es bereits zu vereinzelten Ausfällen in der Produktion. Der Staatskonzern ist einer der größten Beschaffer von Devisen für das abgeschottete Land.

Unterdessen forderte Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja in einer Video-Ansprache aus ihrem Exil in Litauen die belarussischen Sicherheitskräfte auf, die Seiten zu wechseln. Dann werde ihnen auch das harte Vorgehen gegen die Demonstranten verziehen. "Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen und als eine nationale Führerin in dieser Zeit zu agieren", sagte sie. Sie sei jetzt für die Schaffung eines rechtlichen Mechanismus, der garantiere, dass die Präsidentschaftswahl mit fairen Mitteln erneut abgehalten werden könne. Tichanowskaja war nach der Wahl laut ihrem Team nach Drohungen der Behörden nach Litauen ausgereist. Ihr Mann ist als Oppositioneller in Belarus in Haft.

EU fordert Zurückhaltung von Russland

In Berlin forderte Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut, dass die belarussischen Sicherheitskräfte auf jegliche Gewalt verzichteten und die Menschen friedlich demonstrieren dürften. Zudem müssten alle politischen Gefangenen unverzüglich freigelassen werden. Es müsse einen nationalen Dialog geben, um die Krise beizulegen. Die Wahl sei "ohne jegliche demokratische Mindeststandards" durchgeführt worden. Deshalb müsse das Ergebnis von unabhängiger Stelle überprüft werden, am besten von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Zudem berät die EU über Sanktionen. Welche Strafmaßnahmen die EU gegen Belarus verhänge, hänge vom weiteren Verhalten der Regierenden dort ab.

Am Freitag hatten die EU-Außenminister die Weichen für Sanktionen gegen Personen gestellt, die für mutmaßliche Wahlfälschung und die Niederschlagung von Protesten verantwortlich gemacht werden. Nach Angaben von EU-Vertretern wird der EU-Gipfel eine Botschaft der Solidarität mit den Demonstranten aussenden. Zudem werde Russland aufgefordert, sich aus der Krise herauszuhalten. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Lukaschenko am Sonntag militärische Hilfe zugesagt und sprach von einer Einmischung aus dem Ausland in die Belange des Landes.

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Polen verfolgt unterdessen die Situation an seiner Grenze zu Belarus. "Wir beobachten, was in Belarus geschieht - genau wie alle Nato-Länder, und wir werden uns auch ansehen, was an unseren Grenzen geschieht", sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Wojciech Skurkiewicz im Rundfunk. "Wir werden bei dieser Beobachtung nicht passiv sein." Die belarussische Armee plant laut Agentur Ria, vom 17. bis 20. August in der Nähe eines Atomkraftwerks und in der an Polen und Litauen angrenzenden Region Grodno Übungen abzuhalten. Lukaschenko hatte zuvor gesagt, dass Luftstreitkräfte an die belarussische Westgrenze verlegt würden.

Der 65-jährige Lukaschenko regiert Belarus seit 26 Jahren autoritär. Bei der Wahl hatte er sich zum Sieger mit großem Vorsprung erklärt. Die Opposition wirft ihm Wahlbetrug vor und reagierte mit Demonstrationen, gegen die Sicherheitskräfte teils brutal vorgingen. Am Sonntag hatten in der Hauptstadt Minsk nach Schätzungen rund 200.000 Menschen gegen Lukaschenko protestiert.

Quelle: ntv.de, vmi/rts

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