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Brasiliens Präsident in China Lula demonstriert bei Xi die Blockfreiheit

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Am Donnerstag besuchte Lula ein Entwicklungszentrum des chinesischen Technologiekonzerns Huawei. Der Einsatz von Komponenten dieses Konzerns wird im Westen seit Jahren kritisch diskutiert.

Am Donnerstag besuchte Lula ein Entwicklungszentrum des chinesischen Technologiekonzerns Huawei. Der Einsatz von Komponenten dieses Konzerns wird im Westen seit Jahren kritisch diskutiert.

(Foto: Via REUTERS)

Unter Präsident Bolsonaro hat sich Brasilien diplomatisch ins Abseits manövriert. Lula will das ändern. Der größte Trumpf für die Zukunft ist für ihn die Neutralität. Das bedeutet auch eine größere Nähe zu China.

Brasiliens Präsident Lula da Silva ist in China und trifft heute den chinesischen Staatschef Xi Jinping. Schon seit Mittwoch hält Lula sich in der Volksrepublik auf, um das rissige Verhältnis zu Peking zu kitten. Denn als sein rechtsradikaler Vorgänger Jair Bolsonaro noch im Amt war, hatte dessen Regierung die diplomatischen Fühler eindeutig nach Norden ausgerichtet, in Richtung Donald Trump. Und das, obwohl China seit einem Jahrzehnt der wichtigste Handelspartner der größten südamerikanischen Volkswirtschaft ist.

Die beiden verstanden sich blendend. Bei Besuchen im Weißen Haus grinste Bolsonaro seinen Gastgeber an wie ein schwärmender Teenie sein Idol. Trump sparte denn auch nicht mit warmen Worten für den Brasilianer. Doch die persönliche Nord-Süd-Achse gibt es nicht mehr, Bolsonaro und Trump haben beide ihre Ämter verloren. Der eine gegen den Demokraten Joe Biden, der andere gegen den Linken Lula da Silva, Hassfigur der Konservativen.

Als Lula ins Amt kam, gerieten in Europa viele aus dem sozialdemokratischen und linken politischen Lager ins Schwärmen. Schließlich hatte der in seinen ersten beiden Amtszeiten die Armutsrate in Brasilien laut Weltbank mehr als halbiert. Jetzt will Lula mit Brasilien wieder die Führungsrolle in Südamerika einnehmen, die Bolsonaro nicht ausfüllen konnte oder wollte. Dazu gehört allerdings, die Schwärmer im Westen zu enttäuschen, denn in den großen geopolitischen Streitfragen der Gegenwart, dem russischen Krieg gegen die Ukraine und den chinesischen Drohungen gegen Taiwan, positioniert Lula sich möglichst neutral.

Keine Munition, kein Klimaclub

Deutlich wurde das beim Besuch von Olaf Scholz in Brasilien vor einigen Wochen. Der Bundeskanzler fragte Lula nach Munition für die Ukraine und lud ihn in den "Klimaclub" ein, eine Initiative für eine internationale Interessensgemeinschaft von Staaten, die beim Kampf gegen den Klimawandel kooperieren. Beides lehnte Lula ab. Den russischen Angriffskrieg nannte er trotzdem einen "krassen Fehler", und er versprach auch, die Abholzung im Amazonas-Regenwald rigoros zu bekämpfen.

Für Brasilien hat eine neutrale Haltung Tradition. Diese Neutralität beinhaltet allerdings auch eine gewisse Nähe zu China und Russland. Beiden Ländern ist Brasilien über die BRICS-Gruppe verbunden, ein Bündnis von Staaten, die sich als aufstrebende Volkswirtschaften sehen und zu denen neben Brasilien, Russland und China auch Indien und Südafrika gehören. Schon Lulas erste acht Jahre als Staatschef hatten den Aufstieg dieser Gemeinschaft markiert. China ist inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, Brasilien liegt auf Rang 10. Keiner der BRICS-Staaten hat Sanktionen gegen Russland verhängt.

Bei seinen Gesprächen mit Scholz hatte Lula eine Teilnahme am "Klimaclub" zwar abgelehnt, dafür aber einen anderen Club vorgeschlagen: einen "Friedensclub", um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Dafür wollte Lula auch China ins Boot holen. Tatsächlich legte Peking nach Scholz' Besuch in Brasilien eine Art Friedensplan vor, der jedoch sehr allgemein gehalten war und an dessen Erstellung weder Brasilien noch ein anderes BRICS-Land beteiligt war.

NDB statt IWF

Brasiliens Interessen im internationalen Gefüge sind eindeutig: Das Land bezieht aus Russland den größten Teil des Düngers für den wichtigen und politisch einflussreichen Agrarsektor. Nach Darstellung des chinesischen Botschafters in Brasilien sind die BRICS-Mitglieder "ein Katalysator, um die globalen institutionellen Strukturen zu verändern" - anders gesagt: Aus chinesischer Sicht sind sie ein Gegengewicht zur Dominanz der USA. Das sieht Lula ähnlich. Am Donnerstag kritisierte er in Shanghai die Dominanz des US-Dollars im internationalen Handel. Anlass seines Besuchs in der chinesischen Wirtschaftsmetropole war die Amtseinführung der früheren brasilianischen Staatschefin Dilma Rousseff als Präsidentin der New Development Bank (NDB). 2015 hatten die BRICS-Staaten diese Entwicklungsbank als Alternative zum Internationalen Währungsfonds IWF gegründet.

Schon Lulas frühere Auslandsreisen waren klare Hinweise auf das Ziel, das brasilianische Verständnis von Blockfreiheit zu demonstrieren. Sein erster Amtsbesuch hatte ihn ins benachbarte Argentinien geführt, dem größte Partner in Südamerika und im Handelsbündnis Mercosur. Er sprach mit dem Präsidenten von Uruguay, wobei es auch um ein Freihandelsabkommen mit China ging, das beide Länder anstreben. Die Nachverhandlungen mit der EU über ein weiteres Freihandels- und Kooperationsabkommen sind dabei kein Hindernis, eher im Gegenteil: Es gibt Brasilien mehr Gestaltungsspielraum.

Yuan für Brasilien wichtiger als der Euro

Danach flog Lula nach Washington zu Joe Biden. Der ehemalige Gewerkschaftler machte dem Gewerkschaftsfreund und US-Präsidenten einen Vorschlag: Den global vernetzten Rechtspopulistischen müsse eine progressive internationale Alternative entgegengestellt werden, ein Gegenentwurf, der zeigen soll, wie wirtschaftliche Nachteile einkommensschwacher Bevölkerungsschichten sowie der Klimawandel bekämpft werden sollen. Zudem lud Lula mehrere demokratische Abgeordnete nach Brasilien ein.

Jetzt also Lulas Besuch in China. Dabei sind 200 Unternehmer und Führungskräfte, insbesondere aus dem Agrarsektor. Mehr als 20 Kooperationsabkommen könnten unterzeichnet werden. Brasilien exportiert in großen Stil nach Asien, vorwiegend Soja, Fleisch und Eisenerz. Im Gegenzug soll China in Südamerika Geld in die Infrastruktur stecken. Lula präsentiert Brasilien als Regionalmacht, die ihren eigenen Weg gehen will, und China spielt dabei eine wichtigere Rolle als Europa: Zuletzt teilte die brasilianische Zentralbank mit, dass der chinesische Yuan nun die zweitgrößte internationale Währungsreserve sei. Dies war bislang der Euro.

Quelle: ntv.de

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