Rebellen verkünden "neue Ära" Machthaber gestürzt: Assad flieht aus Syrien
08.12.2024, 04:05 Uhr
Das Assad-Regime ist Geschichte. Während die islamistischen Rebellen in Damaskus einrücken, steigt der syrische Machthaber in ein Flugzeug und verlässt das Land. Der Ministerpräsident erklärt sich zur Machtübergabe bereit.
Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat die Hauptstadt Damaskus mit unbekanntem Ziel verlassen. Das meldet die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf syrische Offiziere in Damaskus. Die Rebellen-Allianz verkündete den Sturz der Regierung. "Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen", teilten die Islamisten auf Telegram mit. "Wir erklären die Stadt Damaskus für frei." Nach der "Unterdrückung" unter der mehr als fünf Jahrzehnte währenden Herrschaft der Baath-Partei sei nun "der Beginn einer neuen Ära für Syrien" gekommen, hieß es weiter. Die islamistischen Kämpfer riefen die ins Ausland geflüchteten Syrer auf, in ein "freies Syrien" zurückzukehren.
Zuvor hatte bereits der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, unter Berufung auf syrische Offiziere von Assads Flucht berichtet. Er sei in ein Flugzeug gestiegen, um das Land zu verlassen. Wohin, ist bislang unbekannt.
Regierungschef bereit zur Machtübergabe
Regierungschef Mohamed al-Dschalali ist offenbar noch im Land und erklärte seine Bereitschaft für eine Machtübergabe. Er sei bereit, die Regierungsgeschäfte abzugeben an "jede Führung, die das syrische Volk bestimmt", und stehe am Sonntagmorgen für jegliches Verfahren zur Machtübergabe bereit, sagte al-Dschalili in einem auf seinem Facebook-Konto veröffentlichten Video. Die Bürger rief er bei den laufenden Entwicklungen auf, zu kooperieren und kein öffentliches Eigentum zu beschädigen. Syrien könne ein "normaler Staat" sein, mit freundschaftlichen Beziehungen mit seinen Nachbarn. Er selbst habe kein Interesse an irgendeinem politischen Amt oder anderen Privilegien. "Wir glauben, dass Syrien allen Syrern gehört."
Dschalali war zuvor Minister für Kommunikation und erst seit wenigen Monaten Ministerpräsident in der Assad-Regierung. Er wurde von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt, wegen seiner Beteiligung an der gewaltsamen Unterdrückung der Bevölkerung in Syrien.
Der Anführer der Rebellen, Abu Mohammed al-Dschulani, kündigte an, man wolle die Macht friedlich übernehmen. Öffentliche Einrichtungen in der Haupstadt Damaskus "werden bis zur offiziellen Übergabe unter Aufsicht des früheren Ministerpräsidenten bleiben", teilte Al-Dschulani in den sozialen Medien mit. Militärischen Kräften sei es strikt verboten, sich diesen Einrichtungen zu nähern, auch Schüsse dürften nicht abgegeben werden.
Der Führer der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) veröffentlichte die Botschaft erneut mit seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa. Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass er seinen Kampfnamen Al-Dschulani ablegen und sich - wohl auch mit Blick auf eine mögliche zukünftige Rolle in Syrien - ziviler geben will.
Tausende Gefangene befreit
Erst wenige Stunden zuvor hatten die Islamisten die Millionenstadt Homs eingenommen und danach ihre Offensive auf die Hauptstadt gestartet. Dabei stießen sie offenbar auf keinen Widerstand. Es wurden keine Truppenbewegungen von der Armee gemeldet.
Die islamistischen Kämpfer erklärten zudem, sie seien in das berüchtigte Sednaja-Gefängnis eingedrungen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, die Türen des Gefängnisses seien für "Tausende Häftlinge" geöffnet worden, die "während der gesamten Herrschaft des Regimes" vom Sicherheitsapparat gefangen genommen worden seien. Außerdem hätten die syrische Armee und die Sicherheitskräfte den Flughafen der Hauptstadt Damaskus geräumt.
Syrische Soldaten und regierungstreue Bewohner verlassen das Land Berichten zufolge in Scharen. Auf dem Flughafen von Damaskus herrsche Chaos, berichtet der US-Sender CNN, viele Menschen versuchten, der Hauptstadt zu entkommen.
Aufständische trafen kaum auf Widerstand
Am 27. November war der Bürgerkrieg in Syrien mit der Offensive der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham plötzlich wieder aufgeflammt. Innerhalb kurzer Zeit übernahmen die Aufständischen die Kontrolle über viele Orte, darunter Aleppo und Hama, weitgehend kampflos.
Der Bürgerkrieg in Syrien hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung begonnen, gegen die Assad brutal vorging. Es entwickelte sich ein Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung, in dem Russland, der Iran, die Türkei und die USA eigene Interessen verfolgen. Rund 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. Nach UN-Schätzungen kamen bisher mehr als 300.000 Zivilisten ums Leben. Eine politische Lösung zeichnete sich bis zuletzt nicht ab.
Assad hatte vor mehr als zwei Jahrzehnten im Alter von 34 Jahren die Macht in Syrien übernommen, nachdem sein Vater Hafis al-Assad, der das Land jahrzehntelang autoritär regiert hatte, gestorben war. Zunächst weckte Assad, der in England studiert hatte, Hoffnungen auf einen neuen Kurs. Doch die anfängliche Euphorie des sogenannten "Damaszener Frühlings", der kurze Zeit offenere Diskussionen erlaubte, wich bald der Rückkehr autoritärer Repression.
Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa/rts