Politik

Wut über FreihandelsabkommenFeuer und Tränengas bei Bauernprotesten in Brüssel

18.12.2025, 13:34 Uhr
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Die Proteste der Landwirte arteten in Brüssel teilweise in Gewalt aus. (Foto: picture alliance/dpa/AP)

Während die EU-Staaten um eine Einigung zum Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten ringen, machen Tausende Landwirte auf den Straßen Brüssels ihrem Unmut Luft. Dabei gibt es auch Gewalt und Zerstörung - ein ntv-Reporter befindet sich bei einer Schalte plötzlich im Tränengas.

Tausende Landwirte haben - teils gewaltsam - im Brüsseler Europaviertel für Chaos gesorgt. Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die versuchten, Absperrungen zu durchbrechen, wie die Polizei auf Nachfrage bestätigte. Während die Veranstalter von rund 10.000 Demonstranten sprachen, zählte die Polizei etwa 7300 Personen und Hunderte Traktoren.

Im Europaviertel wurden Wasserwerfer eingesetzt, wie die örtliche Polizei mitteilte. Einige Landwirte hätten versucht, von den Sicherheitskräften eingerichtete Sperren zu überwinden. Zudem wurden Brände gelegt, Pyrotechnik gezündet und Tränengas eingesetzt, wie auf Bildern zu sehen war. ntv-Reporter Jan Heikrodt kam dem Chaos bei einer Schalte gefährlich nahe und musste um Luft ringen.

Die Angriffe der Demonstranten mit Kartoffeln und Feuerwerk richteten sich auch gegen das Europaparlament: In der belgischen Hauptstadt findet ein EU-Gipfel statt, bei dem auch über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten gesprochen wird. Die Landwirte lehnen das Abkommen ab, weil sie unverhältnismäßige Konkurrenz durch günstige Importe fürchten. Zudem haben die Bauern Sorge, dass sie künftig weniger Geld aus dem EU-Haushalt bekommen könnten.

EU-Mitarbeiter sollen sich von Fenstern fernhalten

Das EU-Parlament verlagerte Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen in andere Gebäude. Zudem hieß es in einer internen Nachricht: "Alle Mitarbeiter, die sich in den Gebäuden in Brüssel aufhalten, werden gebeten, sich von Fenstern fernzuhalten, während die Polizei die Situation unter Kontrolle bringt."

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Die Polizei versuchte, die Demonstranten nicht in die Nähe des Europäischen Parlaments zu lassen. (Foto: picture alliance/dpa/AP)

Eine Parlamentssprecherin teilte mit, nach Störungen der öffentlichen Ordnung während der Bauernproteste seien einige Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel beschädigt worden. Die Sicherheitslage werde vom Parlament in Abstimmung mit den lokalen Behörden genau beobachtet. Medienberichten zufolge wurde eine Person bei den Protesten verletzt.

Zu den Protesten sind auch Landwirte aus Deutschland angereist. Nach einer ersten Schätzung des bayerischen Bauernverbands beteiligten sich rund 500 deutsche Bäuerinnen und Bauern.

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Ein Demonstrant saß während der Proteste der Bauern verletzt auf einem Bordstein. (Foto: picture alliance/dpa/AP)

Frankreich bleibt weiter hart

Ein Durchbruch bei den Verhandlungen ist bei dem EU-Gipfel bislang nicht in Sicht. Trotz einer Einigung auf neue Sicherheitsklauseln will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die geplante Unterzeichnung des Freihandelsabkommens verschieben. "Es wurde viel verbessert", sagte Macron - die Klauseln seien aber noch nicht finalisiert und mit den Mercosur-Staaten abgestimmt.

Macron sagte, Frankreich verlange, dass weiter an dem Abkommen gearbeitet werde, "damit die Dinge ernsthaft angegangen werden, unsere Landwirtschaft respektiert wird, die Ernährungssicherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger überall in Europa gewährleistet ist". Man sei nicht bereit, das Abkommen so zu unterzeichnen.

Zuvor hatten sich Vertreter der EU-Länder und des Europäischen Parlaments auf zusätzliche Schutzklauseln für die Landwirtschaft verständigt, um den Abschluss des Abkommens der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay zu ermöglichen. Im Fall eines schädlichen Anstiegs der Einfuhren aus den Mercosur-Staaten oder eines übermäßigen Preisverfalls für die EU-Erzeuger sollen damit rasch Gegenmaßnahmen in Gang gesetzt werden können.

Unterzeichnung am Samstag steht auf der Kippe

Die neue Freihandelszone zwischen der EU und den Mercosur-Staaten mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art. Die Behörde hatte die Verhandlungen über das Abkommen im vergangenen Dezember trotz anhaltender Kritik aus Ländern wie Frankreich abgeschlossen. Die Unterzeichnung ist für kommenden Samstag in Brasilien geplant - dafür braucht es aber eine bestimmte Mehrheit unter den EU-Ländern. Eine Entscheidung wird bei dem EU-Gipfeltreffen erwartet. Seit 1999 wird über das Abkommen verhandelt.

Ob die erforderliche Mehrheit zustande kommt, ist noch unklar. Wenn Frankreich wie erwartet nicht zustimmt, wird es vermutlich auf Italien ankommen. Länder wie Polen und Österreich haben bereits angekündigt, wegen Sorgen von Landwirten und Bürgern gegen eine Unterzeichnung des Abkommens zu stimmen.

Quelle: ntv.de, dsc/dpa

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