
Alexander Gauland (mit Hundekrawatte) im Landtag von Brandenburg.
(Foto: dpa)
Nazi-Parolen und fiktive Wahrheiten – in der Welt des brandenburgischen AfD-Vorsitzenden ist alles erlaubt.
Fühlt Alexander Gauland eigentlich eine Überfremdung angesichts Hunderttausender Menschen, die in kurzer Zeit nach Deutschland gekommen sind? Man weiß das nicht. Als der "Spiegel" ihn neulich auf seinen Populismus ansprach, sagte er lediglich, er "akzeptiere" es, wenn Menschen sich so fühlten.
Fordert Alexander Gauland eigentlich den Widerstand gegen den Staat? Man weiß das nicht. Als er neulich in Elsterwerda eine Rede hielt und sein Publikum zwischendurch "Widerstand, Widerstand" skandierte, ließ er diese Forderung unkommentiert stehen.
Meint Alexander Gauland eigentlich, das deutsche Volk werde durch Flüchtlinge "ersetzt"? Man weiß auch das nicht genau. Denn er sagt das zwar öffentlich, doch als ihn Anne Will darauf ansprach, zog er zurück: "Es verändert sich, sagen wir es so." Gauland redet im Fernsehstudio anders als auf der Straße.
Gauland hat es in den vergangenen Tagen und Wochen geschafft, in den Medien zur dominanten Figur der AfD zu werden. Der Höhepunkt war seine Äußerung gegenüber zwei Journalisten der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" über den Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng. Der AfD-Politiker sagte, "die Leute" wollten "einen Boateng" nicht als Nachbarn haben. Mittlerweile bestreitet er das Zitat auch nicht mehr.
Die Äußerung passt zur Methode Gauland: Er sagt gar nicht seine Meinung, sondern spricht über die Ansichten irgendwelcher "Leute", denen er sich im nächsten Schritt verpflichtet fühlt, eine Stimme zu geben – so wie jenen, die sich überfremdet fühlen, die Widerstand fordern oder fürchten, das deutsche Volk solle ersetzt werden.
1979 holte Gauland Flüchtlinge nach Frankfurt
Vor ein paar Tagen verteidigte Gauland seine Methode mit einem Satz, der verrät, wie fern er oft denen ist, die er zu vertreten vorgibt. "Es gibt Leute, die Angst haben, die Wahrheit auszusprechen", sagte er im "Duell" bei n-tv. Und schob hinterher: "Oder das, was sie für die Wahrheit halten." Wie soll man das verstehen? Die AfD-Wähler sitzen den Lügen von Verschwörungstheoretikern auf, sollen aber darin bestärkt werden, den Unsinn weiterzuverbreiten?
Immer wieder haben Journalisten versucht, Gauland zu dem logischen Schluss zu bringen, dass er auch für die Handlungen der Menschen verantwortlich ist, die sich mit seiner Rückendeckung ein krudes Weltbild zusammenfantasieren und sich radikalisieren. Wenn sie zum Beispiel Flüchtlingsheime anzünden. Er rufe nicht zu Gewalt auf, sagt Gauland dann. Damit ist die Sache für ihn erledigt.
Gelernt hat er aus der jüngsten Debatte lediglich, dass man in Bezug auf amtierende Fußball-Weltmeister besonders vorsichtig sein muss. Seine Anhänger haben ihm den Ausrutscher allerdings vermutlich längst verziehen. Sie verdächtigen nicht ihn, Schindluder mit der Nationalmannschaft zu treiben, sondern die Journalisten der FAS.
Das allein erklärt aber nicht, warum die Aufmerksamkeit für Gauland gerade so groß ist. Anders als beim Thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke haben sich viele bei Gauland offenbar noch nicht an die scharfen Aussagen gewöhnt. Höcke verbreitet in seinen Reden Endzeitstimmung, indem er die Stimme senkt und sich wie ein Erlöser feiern lässt. Gauland wirkt noch immer wie der pflichtschuldige Beamte aus der alten Bundesrepublik, der er einmal war. Seine beige gemusterten Jacketts, seine Lesebrille und diese Krawatte mit den kleinen Hunden geben ihm etwas Großväterchenhaftes. Die Nazi-Parole "Heute sind wir tolerant, morgen fremd im eigenen Land" wirkt aus seinem Munde unerwartet.
Lange genug war Gauland braves CDU-Mitglied. Die FAZ spürte seiner Vergangenheit in Frankfurt am Main nach und beschreibt einen Beamten, der nicht nur handwerklich gute Arbeit leistete, sondern sich auch im besonderen Maße für Flüchtlinge engagierte. Als Büroleiter des damaligen Frankfurter Oberbürgermeisters organisierte Gauland die Umsiedlung der ersten vietnamesischen Flüchtlinge nach Deutschland. Später wurde Gauland vorgeworfen, damit die Tür für Zehntausende Menschen geöffnet zu haben. "Asylanten aller Länder, zieht nach Frankfurt!", sei Gaulands Botschaft gewesen, sagte 1980 ein SPD-Politiker. Möglich, dass Gauland jetzt so scharf gegen Angela Merkel schießt, weil ihn ihre Politik an seine eigene Vergangenheit erinnert.
Immer wieder Höcke
Seit er in der AfD ist, lässt sich an ihm die Radikalisierung beobachten, die auch die Partei insgesamt durchmachte. Nur ein Beispiel: Gauland tauchte im Dezember 2014 bei einer Pegida-Demo in Dresden auf. Damals verteidigte er sich, er wäre nur als Beobachter dort. Kurz später distanzierte er sich anlässlich des Pegida-internen Streits von Lutz Bachmann. Mittlerweile unterstützt er seinen Parteifreund Höcke darin, die Kontakte zu Pegida auszubauen – obwohl Bachmann längst zurück ist und der AfD-Bundesvorstand die Distanz wahren will.
Höcke, immer wieder Höcke. Gauland zeigte sich in Zeiten der Parteigründung gerne mit Bernd Lucke, später applaudierte er Frauke Petry, als diese Lucke vom Thron stieß. Nun stellt er sich hinter Höcke, der einst Petry gefährlich werden könnte. Man fragt sich eigentlich nur, ob Höcke es schafft, die Bundestagswahl 2017 abzuwarten, bis er Petry angreift.
Bei Veranstaltungen neulich in Elsterwerda und danach am Kyffhäuserdenkmal sprach Gauland nach Höcke und bezog sich jeweils mehrfach auf ihn. "Wie mein Freund Björn Höcke richtig gesagt hat…" setzte er an und gab den Parolen des Thüringischen Einheizers einen intellektuellen Anstrich. Zum Beispiel jener, die AfD sei "die letzte friedliche Chance für unser Deutschland". Das Gespann scheint zu funktionieren: Höcke verschärft den Ton, Gauland trägt ihn in die Medien. Gemeinsam können sie es mit der AfD noch weit bringen.
Quelle: ntv.de