Bundeswehr dann involviert? Masala: Russland könnte "auf längere Sicht" Baltikum angreifen
27.10.2023, 07:56 Uhr Artikel anhören
Ein Leopard-2-Kampfpanzer der Bundeswehr: Bei der NATO-Übung "Griffin Storm" trainierten im Sommer etwa 1000 Bundeswehrsoldaten zusammen mit der litauischen Armee die Verteidigung der NATO-Ostflanke.
(Foto: picture alliance/dpa)
Einen russischen Angriff auf Deutschland hält Militärexperte Masala "momentan für relativ unwahrscheinlich". Doch auf lange Sicht könnte die Bundeswehr nach seiner Einschätzung in eine militärische Auseinandersetzung hineingezogen werden. Nämlich dann, wenn sich Moskau dazu entschließt, das Baltikum anzugreifen.
Nach Ansicht des Militärexperten Carlo Masala würde ein militärischer Erfolg Russlands in der Ukraine die Bedrohung für das Baltikum erhöhen. "Sollte sich Russland in der Ukraine durchsetzen und 17 bis 18 Prozent des ukrainischen Staatsterritoriums dauerhaft besetzt halten: Dann halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass es auf längere Sicht den russischen Versuch geben wird, einen oder mehrere baltische Staaten konventionell anzugreifen", sagte Masala den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Lehre, die Russland gezogen hat, ist, dass kein Land massiv gegen einen Nuklearwaffenstaat vorgehen will. Moskau könnte sich die Frage stellen, ob die NATO bereit wäre, gegebenenfalls eine nukleare Eskalation zu riskieren, wenn Russland konventionell ein relativ kleines Territorium - auch wenn es ein NATO-Mitgliedsstaat ist - angreift."
Auf die Frage, ob er einen Angriff Russlands auf Deutschland für möglich halte, antwortete Masala. "Nein, das halte ich momentan für relativ unwahrscheinlich." Die russische Logik sehe so aus: "Wenn sich Russland nur auf die baltischen Staaten begrenzen und kein weiteres NATO-Mitgliedsland angreifen würde, dann könnte man darauf bauen, dass vielleicht doch nicht andere NATO-Staaten zur Verteidigung des Baltikums herbeieilen werden."
Allerdings hätte eine russische Militärattacke im Baltikum Konsequenzen, so Masala. Die Bundeswehr werde demnächst 5000 Kräfte in Litauen stationiert haben - das größte konventionelle Kontingent von allen NATO-Mitgliedsländern in den baltischen Staaten. "Die Bundeswehr wäre bei einem militärischen Angriff Russlands auf Litauen massiv involviert."
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, hatte zuvor in den Funke-Blättern vor der Gefahr eines russischen Angriffs gewarnt und die unzureichende Ausstattung der deutschen Streitkräfte kritisiert. "Ich halte es für gut möglich, dass Putin über kurz oder lang sogar eine räumlich begrenzte konventionelle Auseinandersetzung - einen Krieg - mit einem Bündnispartner, und damit mit uns, führt. Ich frage: Wie sind wir darauf vorbereitet? Ich fürchte: schlecht", so Wüstner.
Heeresinspekteur mahnt gute Ausstattung an
Ungeachtet solcher Befürchtungen fordert Heeresinspekteur Alfons Mais eine bessere Ausstattung für die künftige Brigade in Litauen, als die Truppe es bisher in Deutschland gewohnt ist. "Ich sage mal überspitzt: Mangelverwaltung erlebt die Truppe noch zu oft zu Hause. Das muss in Litauen besser sein, so wie es die Soldaten auch jeden Tag bei der NATO-Battlegroup erleben", sagte Mais dem digitalen Medienhaus Table-Media.
Die Litauen-Brigade wird Teil der Division 2025, die der NATO für 2025 angezeigt worden ist. Der Heeresinspekteur ist überzeugt, dass "die Brigade in Litauen an sich eine gewisse Attraktivität" habe. Allerdings müssten die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehörten Schulen, Kitas und Arbeitsmöglichkeiten für Familienmitglieder. Ebenfalls müsse man überlegen, wie man Pendler besser unterstützen könnte durch "Prämien oder monetäre Anreize".
Mit Blick in die Zukunft rechne er damit, dass "Kampfdrohnen sowie weitreichendes Präzisionsfeuer der Artillerie den klassischen Kampfhubschrauber möglicherweise ersetzen" werde. "Das heißt aber nicht, dass wir keine bewaffneten Hubschrauber mehr brauchen." Für Mais, der selbst Hubschrauberpilot der Heeresflieger war, werden unbemannte Systeme in Zukunft eine große Rolle spielen.
Der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) rügte unterdessen die langsame Umsetzung der von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte "Zeitenwende". Die Bundeswehr sei noch lange nicht da, wo sie sein müsste, sagte Mölling den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir sind noch nicht auf der neuen Planungsgrundlage: Was bedeutet es, Russland abzuschrecken? Die Bedrohung durch Russland wird in einigen Jahren real werden. Abschreckung Russlands bedeutet in erster Linie Masse: Wir brauchen viel mehr von dem Militärgerät, was wir bereits haben."
Quelle: ntv.de, fzö