Grundgesetz statt Scharia Merkel erklärt Wulff
06.10.2010, 18:53 Uhr
Harmonie im Schloss Bellevue: Kanzlerin und Präsident am Dienstag bei der Verleihung diverser Auszeichnungen an die deutsche Fußball-Nationalmannschaft.
(Foto: REUTERS)
Der Islam gehöre zu Deutschland, hat Bundespräsident Wulff am 3. Oktober gesagt und die Union damit nachhaltig verunsichert. Kanzlerin Merkel weist darauf hin, dass in Deutschland das Grundgesetz gilt und nicht etwa die Scharia.
Drei Tage nach der Integrations-Rede von Bundespräsident Christian Wulff reißt die Debatte über die Stellung des Islam in Deutschland nicht ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die Muslime im Land zur Achtung der im Grundgesetz verankerten Werte auf. Wie einige andere Unionspolitiker hob die Kanzlerin die christlich-jüdische Prägung der deutschen Kultur hervor.
Wulff habe in seiner Rede am Tag der Deutschen deutlich gemacht, "dass die vom Islam vertretenen Werte mit unserem Grundgesetz übereinstimmen müssen", sagte Merkel. "Es gilt bei uns das Grundgesetz, und nicht die Scharia", fügte die Kanzlerin hinzu und bezeichnete christlich-jüdische Werte als "prägende Kraft unserer Kultur". Auf einer Regionalkonferenz der CDU in Wiesbaden wiederholte Merkel, in Deutschland gelte "ganz eindeutig das Grundgesetz und nicht die Scharia" und erhielt dafür den stärksten Beifall des Abends.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder betonte in der "Nordsee-Zeitung", Wulff habe Probleme zutreffend beschrieben, nach seiner Rede seien aber "erklärende Interpretationen notwendig geworden".
Wullf hatte in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit gesagt: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland." Zugleich hatte Wulff betont, dass es Konsens sei, "dass in Deutschland deutsches Recht und Gesetz zu gelten haben".
Stoiber erklärt Wulff auch
Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber kritisierte in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Wulffs Äußerung, auch der Islam gehöre zu Deutschland, als "Verkürzung". Die deutsche Kultur sei schließlich von christlichen Grundwerten geprägt und Integration bedeute "ganz konkret das Sichintegrieren in die Leitkultur dieses Landes".
Die Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Maria Flachsbarth, unterstützte hingegen Wulffs Einordnung des Islam. "Ja, der Islam gehört zu Deutschland", sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Deutschland sei aber vor allem christlich-jüdisch geprägt.
Buschkowsky nennt Wulff-Äußerung falsch
Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), sagte dem "Tagesspiegel", er halte Wulffs Äußerung für "falsch, den Islam in diesen Kontext der historischen Werteschöpfung zu stellen". Wichtig sei, dass der Bundespräsident Grundwerte wie Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung unterstrichen habe. Wulff hätte aber auch darauf hinweisen sollen, dass muslimische Eltern ihre Kinder im Sinne dieser Werte erziehen müssten.
"Der Islam gehört zu Deutschland, wenn er im Rahmen unserer Verfassung gelebt und praktiziert wird und nur dann", sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, beim Thema Integration sei die Union "anders als ihr Bundespräsident nach wie vor nicht in der Realität angekommen".
Grünen-Chef Cem Özdemir warf der CSU im "Hamburger Abendblatt" vor, eine "fatale Rangordnung zwischen Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten" herzustellen. Der "wesentliche Bezugspunkt" müssten aber die freiheitlich demokratischen Werte der Verfassung und nicht die Frage der Religionszugehörigkeit sein.
Quelle: ntv.de, AFP