Nach umstrittenem Putsch Militär in Myanmar kündigt Neuwahlen an
01.02.2021, 16:18 Uhr
Nach dem Putsch verhängte das Militär einen Ausnahmezustand für ein Jahr. Die Menschen protestieren gegen das Vorgehen.
(Foto: imago images/ITAR-TASS)
Nach der Entmachtung und Verhaftung der De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi stellt das Militär von Myanmar nun Neuwahlen in Aussicht. Wann es so weit ist, bleibt allerdings offen. Internationale Politiker zeigen sich "zutiefst besorgt".
In Myanmar hat das Militär nach seinem Putsch Neuwahlen und eine Übergabe der Macht an demokratische Parteien in Aussicht gestellt. Militärchef Min Aung Hlaing bekenne sich zu einem "demokratischen Mehrparteiensystem", hieß es zudem auf einer offiziellen Internetseite des Militärs. Ein Zeitpunkt für Wahlen wurde nicht genannt.
Nach dem Putsch verhängte das Militär einen Ausnahmezustand für ein Jahr. Die "wegen Wahlbetrugs" abgesetzte Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi sowie weitere hochrangige Mitglieder der regierenden Nationalen Liga für Demokratie (NLD) wurden nach der Machtübernahme durch die Militärs festgesetzt. Die Vereinten Nationen, die USA und die Europäische Union verurteilten den Putsch.
"Die Maßnahmen des Militärs sind Maßnahmen, um das Land zurück in die Diktatur zu führen", hieß es in einer von der NLD veröffentlichten Stellungnahme der Friedensnobelpreisträgerin von 1991. "Ich bitte die Menschen dringend, dies nicht zu akzeptieren und mit ganzem Herzen gegen den Putsch der Militärs zu protestieren." Ein NLD-Sprecher forderte die Bevölkerung zugleich dazu auf, Ruhe zu bewahren. "Ich möchte unseren Leuten sagen, dass sie nicht vorschnell reagieren sollen, und ich möchte, dass sie gemäß dem Gesetz handeln." Auch er erwarte, vom Militär inhaftiert zu werden.
Seit den Morgenstunden waren die Telefonleitungen in der Hauptstadt Naypyitaw und der größten Stadt Rangun unterbrochen, Anwohner berichteten über Ausfälle bei Internetdiensten und im Mobilfunk. Ein Augenzeuge sagte, dass mindestens ein Dutzend Soldaten und mehrere Militärfahrzeuge vor dem Rathaus von Rangun Stellung bezogen hätten. Der staatliche Fernsehsender MRTV schrieb auf Facebook, dass er wegen technischer Probleme nicht senden könne.
"Zutiefst besorgt"
Die US-Regierung erklärte, Präsident Joe Biden sei über die Verhaftung Suu Kyis informiert worden. "Die Vereinigten Staaten lehnen jeden Versuch ab, das Ergebnis der jüngsten Wahlen zu verändern oder den demokratischen Übergang in Myanmar zu behindern, und werden gegen die Verantwortlichen vorgehen, wenn diese Schritte nicht rückgängig gemacht werden", teilte das Präsidialamt mit. US-Außenminister Antony Blinken forderte die sofortige Freilassung der Regierungsmitglieder. Auch die australische Regierung zeigte sich "zutiefst besorgt über Berichte", und forderte die sofortige Freilassung der rechtswidrig inhaftierten Volksvertreter.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte, die Geschehnisse seien "ein ernsthafter Rückschlag für die demokratischen Reformen". Er forderte die Beteiligten dazu auf, von Gewalt abzusehen und die Menschenrechte einzuhalten. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte die Machtübernahme des Militärs. "Das Ergebnis der Wahlen muss respektiert und demokratische Prozesse müssen wiederhergestellt werden", forderte er in einem Tweet. Bundesaußenminister Heiko Maas forderte die sofortige Freilassung aller Festgenommenen, einschließlich Suu Kyis. Japans Regierung teilte mit, sie beobachte die Situation, habe aber derzeit keine Pläne, japanische Staatsangehörige aus Myanmar auszufliegen. In Tokio versammelten sich Hunderte Menschen, um gegen den Putsch zu demonstrieren.
China reagierte indes zurückhaltend. "Wir haben zur Kenntnis genommen, was in Myanmar passiert ist, und sind dabei, besser zu verstehen, wie die Situation ist", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.
"Mit der Absicht eines Genozids"
Suu Kyi hatte bei der Parlamentswahl im November mit 83 Prozent der Sitze einen Erdrutschsieg für die NLD erzielt. Die Armee unterstellt ihr Wahlbetrug. Oberbefehlshaber Hlaing hatte bereits vergangene Woche das Militär aufgefordert, die Verfassung aufzuheben, falls sie nicht eingehalten werde. Sein angedrohter Putschversuch sei missverstanden worden, ruderten die Streitkräfte wenig später zurück. Suu Kyi ist trotz des Wahlsieges auf die Unterstützung der Streitkräfte angewiesen: Die Verfassung garantiert dem Militär ein Viertel der Sitze sowie drei Schlüsselministerien.
Suu Kyis internationales Ansehen ist mittlerweile allerdings umstritten: Sie steht unter anderem wegen der staatlichen Diskriminierung der muslimischen Rohingya in der Kritik. Nach einem harten Vorgehen von Myanmars Militär gegen die Rohingya waren 2017 mehr als 730.000 Angehörige der Minderheit ins benachbarte Bangladesch geflohen. UN-Ermittler kamen zu dem Ergebnis, dass die Armee "mit der Absicht eines Genozids" vorgegangen sei. Suu Kyi räumte zwar ein, dass an Rohingya Kriegsverbrechen begangenen worden sein könnten. Aber dabei handele es sich nicht um einen Völkermord.
Es war für das Land erst die zweite Wahl, die von internationalen Beobachtern seit dem Ende der direkten Militärherrschaft im Jahr 2011 als frei und fair angesehen wurde. Nach dem Putsch im Jahr 1962 war Myanmar 49 Jahre lang vom Militär regiert worden.
Quelle: ntv.de, nan/rts