Trotz Betrugsaffäre von Ehemann Ministerin Giffey will Berliner SPD führen
29.01.2020, 19:04 Uhr
Müller übergibt das Staffelholz an Giffey: Sie will als neue Berliner SPD-Chefin ihr Ministeramt behalten, Müller bleibt Bürgermeister.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Sprung an die Spitze der Bundes-SPD blieb Familienministerin Giffey wegen Plagiatsvorwürfen verwehrt. Nun will sie die Berliner SPD in eine neue Zeit führen - trotz einer Betrugsaffäre um ihren Ehemann. Berlins Regierender Bürgermeister Müller tritt den Rückzug auf Raten an.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey will Vorsitzende der Berliner SPD werden. "Ich bin Berlinerin, und als Berlinerin liebe ich meine Stadt und möchte, dass es meiner Stadt gut geht", sagte Giffey bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem bisherigen Amtsinhaber und Regierenden Bürgermeister, Michael Müller. Zudem sei ihr die Lage der SPD in Berlin wichtig. Sie habe Lust, das in Berlin mit der SPD zu machen. "Und das wird gut, ich sag's Ihnen." Giffey will die Landespartei künftig gemeinsam mit dem Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, als Doppelspitze führen. Müller hatte zuvor mitgeteilt, bei der am 16. Mai anstehenden Wahl nicht mehr für den Posten des Landesvorsitzenden anzutreten.

Der zweite Teil der neuen Doppelspitze: Raed Saleh, Fraktionsvorsitzender der SPD im Abgeordnetenhaus.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wer für die SPD 2021 als Spitzenkandidat ins Rennen um das Amt des Regierenden Bürgermeisters gehen soll, ließen alle Beteiligten offen. Zuvor war spekuliert worden, dass Giffey ihren Parteifreund Müller auch hier beerben wolle. Das werde erst in gut einem Jahr festgelegt, sagte Müller, der bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl im Amt bleiben will. Diese findet voraussichtlich parallel zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 statt.
Am Rennen um den SPD-Bundesvorsitz hatte sich die 41-Jährige nicht beteiligt, obwohl ihr große Chancen zugesprochen worden waren. Grund war das schwebende Verfahren um mögliche Plagiate in ihrer Doktorarbeit. Die Freie Universität hatte dann nach monatelanger Prüfung die Arbeit zwar wegen Mängeln gerügt, ihr den Doktorgrad aber nicht aberkannt.
Giffey gilt bei vielen SPD-Mitgliedern als Hoffnungsträgerin. Allerdings hat sie zurzeit mit Vorwürfen gegen ihren Ehemann zu kämpfen. Der verlor seinen Beamtenjob beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, weil er Berichten zufolge seine Arbeitszeiten falsch erfasste und Dienstreisen abrechnete, die es gar nicht gab. Dazu schweigt die Familienministerin. Wenn sie auf die lokale Bühne zurückkehrt, dürfte die Affäre allerdings eine Belastung für sie sein. Die SPD regiert in Berlin in einer Koalition mit Grünen und Linken. Rot-Rot-Grün hat in Umfragen derzeit nach wie vor eine Mehrheit - allerdings mit den Grünen auf Platz eins.
"Neue Köpfe": Müllers Abschied per E-Mail
Giffey sagte, sie werde ihr Amt als Bundesfamilienministerin weiter ausüben. Sie sehe keinen Interessenskonflikt mit einer möglichen Tätigkeit als Berliner SPD-Chefin. Auch in ihrer Zeit als Ministerin hat die Sozialdemokratin immer wieder die Nähe zu Berlin betont. Bis zum Einzug ins Bundeskabinett war sie Bürgermeisterin des Stadtbezirks Neukölln. Wie Vorgänger Heinz Buschkowsky hatte sie sich dort auf die Fahnen geschrieben, "Klartext zu reden", auch bei den Themen Migration und Integration. Im vergleichsweise links geltenden SPD-Landesverband hat sie deshalb nicht nur Freunde.
Müller schrieb zuvor in einer E-Mail an die Parteimitglieder: "Ich glaube, dass es gut ist, wenn jetzt neue Köpfe Verantwortung übernehmen und unsere Partei nach dem nächsten Landesparteitag im Mai führen." Nach vielen Gesprächen sei in den letzten Wochen deutlich geworden, dass sich viele Genossen auf Bundesebene und auch in Berlin neue Impulse für die Partei wünschten.
Spekulationen, der 55-Jährige würde auf das Amt des Landeschefs verzichten, gab es schon länger. Der Regierende ist seit mehr als fünf Jahren im Amt. Zuletzt stand die Hauptstadt-SPD in Umfragen bei 15 bis 16 Prozent. Wenn sich das nicht ändert, könnte sie bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl den Posten des Bürgermeisters verlieren. Hinter den Kulissen des SPD-Landesverbands gab es immer wieder die Befürchtung, der mitunter als farblos und mürrisch beschriebene Müller könne die Stimmung für die SPD nicht mehr drehen.
Quelle: ntv.de, mau/dpa/AFP