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Bahn-Talk bei "Hart aber fair" "Mit der Pünktlichkeit ausgesprochen unzufrieden"

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DB-Infrastrukturvorstand Huber erklärt Staatssekretär Theurer, wie die Generalüberholung des Netzes geplant ist.

DB-Infrastrukturvorstand Huber erklärt Staatssekretär Theurer, wie die Generalüberholung des Netzes geplant ist.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Die Deutsche Bahn will kundenfreundlicher werden, vor allem pünktlicher.  Dazu soll das Bahnnetz modernisiert werden. Wie das passieren soll und warum es in diesen schlechten Zustand geraten ist, beschäftigt die Gäste in der ARD-Talkshow "Hart aber fair".

Bahnreisende kennen das Problem: Züge sind oft unpünktlich oder fallen gleich ganz aus. Immerhin kommen im Nahverkehr noch 90 Prozent aller Züge rechtzeitig an, doch im Fernverkehr sind es nur 69 Prozent. Pünktlich sind die Züge dann, wenn sie weniger als sechs Minuten zu spät kommen. Auf diesen Richtwert hat sich die Bahn verständigt, weil die Passagiere bei weniger als sechs Minuten Verspätung ihre Anschlusszüge in der Regel noch erreichen können, erklärt der für die Infrastruktur zuständige Vorstandsvorsitzende der Bahn, Berthold Huber, in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" am Montagabend. Hauptgrund für die Unpünktlichkeit der Züge ist die marode Infrastruktur, auf die die Deutsche Bahn angewiesen ist. "Mit der Pünktlichkeit der Bahn bin ich ausgesprochen unzufrieden", betont Huber denn auch.

"Die Infrastruktur ist ganz wesentlich entscheidend dafür, ob es uns gelingt, die Qualität der Bahn so zu verbessern, dass in Zukunft jeder mit ihr fährt", so der Bahn-Vorstand. Das Problem kennt auch Michael Theurer. Der FDP-Politiker ist parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und dort unter anderem für die Deutsche Bahn zuständig. "Wenn ich Bahn fahre, überlege ich, ob ich Umsteigeverbindungen habe. Bei zwei Umstiegen oder mehr beginne ich, Reservezeiten einzuplanen", sagt er. Entweder nimmt er einen früheren Zug - oder er fährt lieber gleich Auto.

Berthold Huber ist klar: "Wenn wir das Problem lösen wollen, müssen wir die Infrastrukturprobleme angehen." Den Grund für diese Probleme nennt der Professor für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, Christian Böttger: "Seit zwanzig Jahren hat man sich zu wenig um die Infrastruktur gekümmert." Während der rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder habe das angefangen. Die habe das Budget für die Bahn mehr als halbiert, sagt Böttger. Erst die aktuelle Bundesregierung fange nun an, das Budget wieder aufzustocken. Doch nicht nur die Finanzierung ist laut Böttger ein Problem: "Hinzu kommt, dass das Netz überlastet ist. Heute fahren zwanzig Prozent mehr Züge als noch vor zwanzig Jahren. Aber das Netz ist das gleiche geblieben. Es fahren einfach zu viele Züge. Das geht zulasten der Qualität."

Strukturreform bei der Bahn

Um die Bahn wieder kundenfreundlicher zu machen, haben sich Bahn und Bundesregierung auf ein Strukturprogramm geeinigt. Dazu gehört, dass die Bahn in Zukunft mit noch mehr Fahrgästen plant. Huber: "Wir wollen doppelt so viele Fahrgäste transportieren und den Marktanteil beim Güterverkehr von 17 auf 25 Prozent erhöhen."

Dazu möchte die Bahn den sogenannten Deutschlandtakt einführen. Das wird noch lange dauern: Laut Michael Theurer könnte es Ende der 2040er-Jahre so weit sein. Der Deutschlandtakt sieht eine Verbindung zwischen allen wichtigen Städten im 30-Minutentakt vor. Zudem sollen die Schienenverbindungen so ausgebaut werden, dass sich die Fahrzeiten verkürzen. So will die Bahn zum Beispiel auf der Strecke Stuttgart-Berlin eine gute Stunde weniger fahren: Die Fahrzeit soll sich von fünf Stunden und 38 Minuten auf vier Stunden und 34 Minuten verkürzen. Für die Fahrt von Lübeck nach Berlin sollen die Fahrgäste nur noch gut zwei Stunden Zeit einplanen müssen. Auch der Güterverkehr soll von den verkürzten Fahrzeiten profitieren. Huber: "Dazu müssen wir die Infrastruktur in den Zustand versetzen, den wir brauchen. Und damit fangen wir jetzt an."

"Das tut sehr weh"

Genauer gesagt: im nächsten Sommer. Dann soll die Bahnstrecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim für fünf Monate voll gesperrt und grundsaniert werden - von den Schienen bis zu den Bahnhöfen. Auf der Strecke fahren täglich rund 300 Züge. Die Kunden müssen in dieser Zeit mit Zugumleitungen rechnen oder auf Schienenersatzverkehr umsteigen. Weitere Bahnstrecken sollen folgen. "Das tut sehr weh, und man wird auch Kunden verlieren", sagt Bahn-Experte Böttger. Aber vermutlich gibt es keine Alternative dazu." Tatsächlich hätte man die Strecke auch sanieren können, ohne sie zu sperren. Doch dann hätten die Arbeiten laut Staatssekretär Theurer bis zu zehn Jahre gedauert.

Für den Umbau benötigt die Deutsche Bahn mehr Geld - bis 2027 knapp 90 Milliarden Euro, sagen das Unternehmen und die Bundesregierung. Nicht einmal die Hälfte, rund 43 Milliarden Euro, sind im Bundeshaushalt vorgesehen. Weitere 27 Milliarden will die Bahn obendrauf legen, sagt Huber. Den Rest will die Bundesregierung durch einen "weiteren Finanzierungsbaustein" locker machen. "So weit waren wir noch nie", frohlockt Huber.

Zumindest klingen die Pläne von Bundesregierung und Deutscher Bahn sehr ambitioniert. Würden sie tatsächlich in die Tat umgesetzt, hätte die Bahn die Chance, ihren schlechten Ruf zu verlieren und eine stressfreie Alternative zum Auto zu werden.

Quelle: ntv.de

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