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Katjuscha, Fateh-110, Shahed-136 Die Waffen der Hisbollah - überfordern sie den Iron Dome?

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Der israelische Iron Dome fängt Geschosse aus dem Gazastreifen ab (Bild vom Oktober 2023).

Der israelische Iron Dome fängt Geschosse aus dem Gazastreifen ab (Bild vom Oktober 2023).

(Foto: REUTERS)

Noch ist unklar, wie der Iran und seine Verbündeten Israel angreifen wollen. Fest steht aber, dass der Hisbollah dabei eine Schlüsselrolle zukommt. Über welche Waffen verfügt die Terrorgruppe? Und könnte sie damit Israels Luftabwehr überfordern?

Bei Israels Sicherheitskräften herrscht höchste Alarmbereitschaft. Sie bereiten sich auf den erwarteten massiven Angriff des Iran und seiner Verbündeten vor. Wann dieser kommt, ist unklar. Wie er aussieht, ist unbekannt. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah nannte das Hinauszögern des angekündigten Vergeltungsschlags schon einen "Teil der Strafe". Es soll die Rache sein für den Tod mehrerer hochrangiger Terroristen von Hamas und Hisbollah im Juli. "Unsere Vergeltung wird kommen", sagte Nasrallah - und drohte Israel im Falle eines Krieges mit Angriffen vom Boden, aus der Luft und vom Wasser.

Schon einmal in diesem Jahr haben der Iran und mehrere Terrorgruppen Rache geübt: nach dem Tod hochrangiger Kommandeure der Revolutionsgarden bei einem israelischen Luftangriff auf ein Konsulargebäude des Iran in Damaskus. Mehr als 300 Drohnen, ballistische Raketen und Marschflugkörper wurden im April auf Israel abgefeuert. Die Luftabwehr des Landes sowie seiner Verbündeten konnten davon nach eigenen Angaben 99 Prozent abfangen. Wiederholt sich ein so massiver Angriff? Und wird die Luftverteidigung erneut so erfolgreich sein?

Fest steht, dass der Hisbollah dabei eine Schlüsselrolle zukommt. Das liegt schon an der geografischen Nähe zu Israel: Während Raketen aus dem Iran erst andere Länder überqueren müssen, steht die Miliz im Grenzgebiet zu Israel. Und anders als die Hamas im Gazastreifen, die durch den monatelangen Krieg seit dem Massaker an israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023 geschwächt ist, ist die Hisbollah mehr als eine Miliz. Sie gleicht eher einer regulären Armee. Das Center for Strategic and International Studies bezeichnete sie 2018 als "weltweit am stärksten bewaffneter nichtstaatlicher Akteur".

Katjuscha-Raketen zu Dutzenden abgefeuert

Wie groß ist also die Gefahr für Israel, die von der schiitischen Terrorgruppe im Libanon ausgeht? Über wie viele Kämpfer die Hisbollah verfügt, ist unklar. Sie selbst nennt eine Zahl von "weit mehr" als 100.000 Mann. Andere Quellen sprechen von 20.000 aktiven Kämpfern und nochmal so vielen Reservisten. Viele davon sind gut ausgebildet und haben Kampferfahrung in Syrien gesammelt.

Nahost-Experte Peter Lintl sieht eine "immense Gefahr" vor allem im Raketenpotenzial der Hisbollah. "Man spricht von 120.000 oder mehr Raketen. Und auch qualitativ ist die Hisbollah stärker als die Hamas: Ihre Raketen können jeden Ort in Israel erreichen", sagte er ntv.de. Zum Arsenal gehören dabei in Russland, China und vor allem im Iran entwickelte Waffen. Einige stellt die Hisbollah mittlerweile selbst her. Auch Syrien wird immer wieder als wichtiger Waffenlieferant genannt.

Typisch für die Hisbollah sind Katjuscha-Raketen russischer Bauart, die zu Dutzenden auf Israel abgefeuert werden. Sie haben eine Reichweite von wenigen Kilometern und kommen wie Mörsergranaten oder einfache Drohnen im Grenzgebiet zum Einsatz. Die Hisbollah soll über Zehntausende solcher Raketen verfügen, die mobil einsetzbar sind und daher von überall abgefeuert werden können. Etwas weiter, etwa 45 beziehungsweise 75 Kilometer, reichen die iranischen Fadschr-3- und Fadschr-5-Artillerieraketen. Mit ihnen kann etwa die Hafenstadt Haifa angegriffen werden.

Gefahr durch lenkbare Panzerabwehrraketen

Daneben verfügt die Hisbollah über ballistische Artillerieraketen wie die Zelzal-1 und -2 mit Reichweiten bis zu 200 Kilometern und die Geschosse der Fateh-Familie. Letztere haben im Falle der Fateh-110 eine Reichweite von 300 Kilometern und können einen 500-Kilogramm-Sprengkopf tragen. "Mit ihnen lässt sich jeder Punkt in Israel auf 20 Meter genau treffen", sagte Fabian Hinz vom International Institute for Strategic Studies dem "Spiegel".

Darüber hinaus soll die Hisbollah auch über Marschflugkörper verfügen. Details dazu sind aber rar. Zum Arsenal sollen zudem hochpräzise Flugabwehrraketen gehören, dazu lenkbare Panzerabwehrraketen aus russischer und iranischer Produktion. Diese Raketen haben zwar eine geringere Reichweite, fliegen aber oft zu nahe am Boden, um von der Luftabwehr abgefangen zu werden. Mit Anti-Schiffswaffen wie den russischen Jachont- und chinesischen Silkworm-Raketen könnte die Hisbollah daneben nicht nur Schiffe, sondern auch Hafenanlagen oder Förderplattformen auf See angreifen.

Drohnen erhält die Hisbollah aus dem Iran, stellt einfache Modelle aber auch selbst her. Die Terrorgruppe hat wohl iranische Shahed-136-Einwegdrohnen, die auch Kamikaze-Drohnen genannt werden. Russland setzt diese etwa gegen die Ukraine ein. Sie haben laut Hersteller eine Reichweite von 2000 Kilometern, laut westlichen Experten ist diese wesentlich geringer.

Kann Iron Dome überfordert werden?

Mit diesen Waffen könnte die Hisbollah Israel auf vielfältige Weise angreifen - und die israelische Luftabwehr vor große Herausforderungen stellen. Die ist eigentlich sehr leistungsstark. Bekannt ist vor allem der Iron Dome (Eiserne Kuppel), der Kurzstreckenraketen und Mörsergranaten abfängt, laut Hersteller mit 90-prozentiger Erfolgsquote. Hinzu kommt David's Sling (Davids Schleuder) für ballistische Raketen mit größerer Reichweite und Marschflugkörper sowie Arrow (Pfeil) gegen Langstreckenraketen. Auch Kampfjets können angreifende Geschosse abfangen.

Aber die schiere Masse an Raketen der Hisbollah könnte die Systeme dennoch überfordern. Der britische "Guardian" berichtete über die Befürchtung der USA, dass bis zu 3000 Raketen pro Tag auf Israel abgefeuert werden und das Verteidigungssystem Iron Dome zum Schmelzen bringen könnten. Laut der Prognose eines Forschungsprojekts der israelischen Reichman-Universität könnte die Hisbollah diesen Beschuss bis zu drei Wochen lang aufrechterhalten.

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Zu den Tausenden Geschossen pro Tag würden ungenaue, einfache Raketen gehören, aber auch hochpräzise Marschflugkörper mit großer Reichweite. Laut der Prognose könnten solche Waffen gezielt Armeebasen, Städte oder kritische Infrastruktur wie Kraftwerke und die Wasserversorgung ins Visier nehmen - oder die Luftabwehr selbst. Einerseits würde Israels Vorrat an Abwehrraketen durch massive Raketenangriffe schnell schrumpfen. Andererseits könnten Abschussrampen der Luftabwehr durch gezielte Attacken außer Gefecht gesetzt werden. Erst im Juni veröffentlichte die Hisbollah ein Video eines angeblichen Angriffs auf ein Iron-Dome-System. Die israelische Armee dementierte aber, dass solch ein System beschädigt worden sei. Nicht zuletzt sind Drohnen aus Holz oder Kunststoff durch das Radar-System des Iron Dome schwerer zu erkennen.

Israel sind diese Probleme bewusst. Sie haben sie auch den USA geschildert. "Wir gehen davon aus, dass zumindest einige der Iron-Dome-Batterien überlastet sein werden", sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter dem Sender CNN für den Fall eines Krieges gegen die Hisbollah. Ein anderer Regierungsvertreter bestätigte demnach, dass Israel in diesem Falle vor allem zusätzliche Luftabwehrsysteme und Nachschub für die Iron-Dome-Kuppel benötigen würde. Beides würden die USA bereitstellen. Laut dem israelischen Armeesender sprach zudem Verteidigungsminister Joav Galant in den vergangenen Tagen mit Amtskollegen der USA, Großbritanniens, Deutschlands und Italiens. Hintergrund sei der Versuch, "so viele Partner wie möglich für eine internationale Koalition anzuwerben, die Israel unterstützen würde".

Quelle: ntv.de

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