Aufhebung der Immunität Naht Frauke Petrys politisches Ende?
17.08.2017, 12:27 Uhr
Nur ein verlorener Schuh? Für Petry läuft es in der AfD schon seit einiger Zeit schlecht.
(Foto: REUTERS)
Ein Ausschuss des sächsischen Landtags empfiehlt die Aufhebung der Immunität von Frauke Petry. Der AfD-Chefin droht ein Verfahren wegen Meineids. Ausgerechnet in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes.
Worum geht es?
Die AfD-Vorsitzende und sächsische Spitzenkandidatin steht im Verdacht, unter Eid falsche Angaben gemacht zu haben. Und das in einem Fall, der beinahe zu Neuwahlen in Sachsen geführt hätte. Eine komplizierte Affäre.
Sie begann, als der AfD-Kandidat Arvid Samtleben im Landtagswahlkampf 2014 von der Liste der Partei gestrichen wurde, angeblich wegen zu geringem Engagement. Samtleben behauptete dagegen: Grund sei, dass er sich einer Zwangsspende für die eigene Partei widersetzt hätte. Eine Spende, die angeblich jeder Kandidat hätte zahlen müssen, um aufgestellt zu werden. Genau genommen ging es um Darlehensverträge, die AfD-Mitglieder mit ihrer Partei schließen sollten, um die Partei im Wahlkampf zu stärken. Höhe: 3000 Euro.
Der Vorwurf ging vor den Wahlprüfungsausschuss des Landtags. Der kam zu dem Schluss: Samtlebens Beschreibungen lassen sich nicht ausreichend erhärten, zumal auch andere AfD-Mitglieder sich der Zahlung verweigerten – und trotzdem auf der Liste blieben. An dieser Stelle kommt nun Petry ins Spiel.
Was wird Petry vorgeworfen?
Im November 2015 befragte sie der Wahlprüfungsausschuss, um herauszufinden, welche Rolle die Parteispitze bei den Darlehensverträgen spielte. Petry verwickelte sich dabei in Widersprüche. So behauptete sie, selbst keinen Darlehensvertrag unterschrieben zu habe. O-Ton: "Ich habe (…) keinen Darlehensvertrag unterschrieben, weil von vornherein mein Mann genau diese Summe an den Landesverband gespendet hatte." Womöglich hat Petry aber doch einen solchen Vertrag unterschrieben. Für weitere Unstimmigkeiten sorgte der Text der Darlehensverträge. Was Petry darüber sagte, stimmte nicht mit dem überein, was laut Aussagen eines anderen AfD-Politikers tatsächlich drin stand.
Der Linke André Schollbach erstattete wegen der Unstimmigkeiten Anzeige gegen Petry. Die Staatsanwaltschaft Dresden beantragte die Aufhebung der Immunität der Politikerin. Der dafür zuständige Ausschuss des Landtags gab diesem Ersuchen nun einstimmig statt. Der Verlust von Petrys Immunität gilt als sicher, offen ist die Frage, wann es soweit ist.
Wie geht es nun weiter?
Bevor Petry ihre Immunität verliert, können Abgeordnete des Landtages der Empfehlung des Ausschusses binnen sieben Tagen widersprechen. Verstreicht die Sieben-Tages-Frist ohne Widerspruch, verliert Petry ihre Immunität automatisch. Widerspricht dagegen nur ein Abgeordneter der Aufhebung der Immunität, zieht sich der Prozess in die Länge. Dann muss sich der Landtag dem Fall Petry in einer Sitzung widmen und über die Aufhebung ihrer Immunität abstimmen.
Widerspruch ist von Petrys AfD nicht zu erwarten. Die Partei hat sich für die Aufhebung der Immunität ihrer Chefin ausgesprochen. Eine öffentlichkeitswirksame Debatte über den Fall Petry ließe sich im Parlament aber für die politischen Gegner der AfD für den Wahlkampf ausschlachten. Zur Aufhebung der Immunität kann es danach ja immer noch kommen.
Ist Petrys Immunität einmal aufgehoben, ist der Weg für eine Anklage frei. Ob daraus ein Strafverfahren wird, entscheidet allerdings die Justiz. Zu prüfen ist unter anderem, ob eine Falschaussage vor dem Wahlprüfungsausschuss die gleiche Bedeutung hat wie eine Falschaussage vor einem Gericht.
Mit welcher Strafe muss Petry rechnen?
Kommt es zum Verfahren, droht Petry eine Haftstrafe, zumindest theoretisch. Auf Meineid, also der Falschaussage "vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle", nach §154 des Strafgesetzbuches steht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. In minder schweren Fällen von mindestens sechs Monaten. Wie bei allen Freiheitsstrafen, die zwei Jahre nicht überschreiten, ist aber eine Strafe auf Bewährung möglich. Petry, die gerade Mutter geworden ist, müsste in diesem Fall zumindest nicht ins Gefängnis.
Was bedeutet die Affäre für Petrys politische Karriere?
Die AfD-Chefin hat sich selbst einen Prozess gewünscht. "Sollte es in der Folge tatsächlich zu einem Verfahren kommen, kann ich in diesem zu den im Raum stehenden Vorwürfen öffentlich Stellung nehmen", sagte sie dem MDR. "Das war bisher nicht möglich." Petry setzt offensichtlich auf einen Freispruch.
Selbst, wenn dieser so sicher wäre, wie es Petry suggeriert, ist die Affäre aber ein Problem für sie. Sechs Wochen vor der Bundestagswahl macht sie Negativ-Schlagzeilen. Argumentativ dagegen vorgehen kann sie wahrscheinlich aber erst nach dem 24. September. Vorher ist kaum mit der Eröffnung des Verfahrens zu rechnen. Mit einem Freispruch schon gar nicht.
Als potenzielle Lügnerin in den Wahlkampf zu ziehen, ist wiederum eine gewaltige Herausforderung. Für sie als Spitzenkandidatin, aber selbstverständlich auch für ihre Partei. Petry gilt in der eigenen Partei schon lange als angeschlagen, vor allem seit sie sich öffentlich für eine stärkere Distanzierung von Rechtsextremen ausspricht. Ihre politischen Gegner, Alexander Gauland, Jörg Meuten und Björn Höcke könnten die Affäre nutzen, um sie endgültig aus der ersten Reihe der Partei zu verdrängen.
Welche Folgen haben die Ermittlungen für die AfD?
Die Sorge, dass ein Verfahren gegen Petry dem Wahlkampf der AfD schaden könnte, ist groß. Petrys eigener Kreisverband, Sächsische Schweiz/Ost-Erzgebirge, hatte deswegen gar einen Sonderparteitag veranlasst, um sie als Direktkandidatin zu streichen. Generalsekretär Uwe Wurlitzer konnte den Eklat gerade noch verhindern. Auch eine weitere Demontage der eigenen Chefin wäre für den Wahlkampf eine Katastrophe gewesen.
Wurlitzer versucht das drohende Verfahren nun vor allem als Wahlkampfmanöver der anderen Parteien darzustellen. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er: "Jetzt liegt es an der Staatsanwaltschaft, deutlich zu machen, warum es notwendig war, das vor der Bundestagswahl zu machen. Ich glaube aber, dass sich jeder Bürger seinen Reim darauf machen kann." Ob er mit diesem Narrativ durchkommt, wird sich zeigen. In Umfragen liegt die AfD im Bund derzeit bei 7 bis 10 Prozent. Ob die Personalie Petry der Partei den Einzug in den Bundestag kosten könnte, ist unklar. In Sachsen tritt sie zwar als Spitzenkandidatin an. Im Bund übernehmen aber Gauland und Alice Weidel das prominente Amt.
Quelle: ntv.de