"Niemand zum Verabschieden da" Nawalny rechnete mit seinem Tod in Haft
12.10.2024, 11:03 Uhr Artikel anhören
Der Kremlkritiker Nawalny lag 2020 mehrere Monate in Berlin im Krankenhaus, nachdem man versucht hatte, ihn zu vergiften. Nach seiner Rückkehr wurde er verhaftet.
(Foto: IMAGO/photonews.at)
Die Memoiren von Alexej Nawalny zeigen: Der Kremlkritiker war sich bewusst, dass er das Straflager nicht überleben würde. Die Notizen, die am 22. Oktober erscheinen, beschreiben Konkretes, wie den Tagesablauf in Haft, aber auch Nawalnys tiefe Überzeugungen.
Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny hat Auszügen aus seinen posthum zusammengestellten Memoiren zufolge mit seinem Tod in Haft gerechnet. "Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen und hier sterben", schrieb Nawalny während seiner Haft im März 2022 in sein Tagebuch, wie aus am Freitag im "New Yorker" veröffentlichten Auszügen hervorgeht. "Es wird niemand zum Verabschieden da sein", notierte Nawalny demnach.
Nawalny, der prominenteste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war am 16. Februar dieses Jahres in einem russischen Straflager in der Arktis gestorben. Er verbüßte dort eine 19-jährige Haftstrafe. Nawalnys Anhänger und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung und Präsident Wladimir Putin für den Tod des Oppositionellen verantwortlich.
Das neue Buch mit dem Titel "Patriot" stützt sich auf Tagebucheinträge Nawalnys aus der Haft und der Zeit davor. Veröffentlicht wird es am 22. Oktober. In einem Eintrag vom 17. Januar 2022 schreibt der Kremlkritiker: "Das Einzige, was wir fürchten sollten, ist, dass wir unsere Heimat aufgeben, um sie von einer Bande von Lügnern, Dieben und Heuchlern ausplündern zu lassen."
In einem Eintrag vom 1. Juli 2022 fasst Nawalny einen typischen Tagesablauf zusammen: Aufwachen um 6.00 Uhr, Frühstück um 6.20 Uhr und Arbeitsbeginn um 6.40 Uhr. "Bei der Arbeit sitzt man sieben Stunden an der Nähmaschine auf einem Hocker unter Kniehöhe", erläutert er. "Nach der Arbeit sitzt man einige Stunden auf einer Holzbank unter einem Porträt Putins. Das nennen sie 'disziplinarische Tätigkeit'."
Mit dem Schreiben seiner Memoiren hatte der Oppositionsführer nach einem Giftanschlag im Jahr 2020 begonnen, in dessen Folge er mehrere Monate lang in einem Krankenhaus in Berlin behandelt wurde. Im Jahr darauf kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er festgenommen und zu 19 Jahren Haft verurteilt wurde.
Der letzte vom "New Yorker" vorveröffentlichte Tagebucheintrag stammt vom 17. Januar 2024. Darin beantwortet Nawalny die Frage von Mitinsassen und Gefängniswärtern, warum er nach Russland zurückgekehrt sei. "Ich wollte mein Land nicht aufgeben oder es verraten. Wenn unsere Überzeugungen etwas bedeuten sollen, muss man bereit sein, für sie einzustehen und, wenn nötig, Opfer zu bringen."
Quelle: ntv.de, fni/AFP