Hauptzeugin des Mordes Nemzows Freundin verlässt Russland
03.03.2015, 06:59 Uhr
Anna Durizkaja in einem Skype-Interview mit dem russischen Oppositionssender "Doschd".
(Foto: REUTERS)
Erst muss die Ukrainerin Anna Durizkaja erleben, wie ihr Freund Boris Nemzow vor ihren Augen erschossen wird. Dann hält die russische Justiz sie offenbar tagelang gegen ihren Willen fest. Nun endlich kann sie ausreisen.
Die ukrainische Lebensgefährtin des ermordeten russischen Oppositionellen Boris Nemzow ist wieder zurück in ihrem Heimatland. Die 23-jährige Anna Durizkaja, die nach eigenen Angaben tagelang in Moskau gegen ihren Willen festgehalten worden war, traf am späten Montagabend am Flughafen in Kiew ein. Sie ist die Hauptaugenzeugin des Mordes an Nemzow.
Durizkajas Anwalt Wadim Prochorow sagte, seine Mandantin brauche nun Ruhe. Die junge Frau stieg am Flughafen rasch in ein Auto, ohne sich noch einmal zu äußern. Durizkaja war mit Nemzow unterwegs, als dieser am Freitagabend auf einer Brücke unweit des Kreml mit mehreren Schüssen in den Rücken getötet wurde.
Nach eigenen Angaben wurde der 23-Jährigen seit dem Verbrechen die Ausreise aus Moskau verweigert. Sie sagte dem russischen Oppositionssender Doschd am Montag, sie sei nicht verdächtig und habe deshalb "das Recht, Russland zu verlassen". Sie habe der Polizei bereits alles gesagt, was sie wisse. Durizkajas Mutter appellierte an den ukrainischen Präsidenten und das Außenministerium, sich für die Rückkehr ihrer Tochter einzusetzen. "Sie ist unschuldig", sagte Inna Durizkaja dem ukrainischen Sender 1+1.
Am späten Montagabend teilte dann ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums über Twitter mit, Durizkaja habe Moskau verlassen und sei auf dem Weg nach Kiew. Ukrainische Diplomaten in Moskau hätten ihr dabei geholfen, die Heimreise anzutreten, hieß es.
Helles Auto bemerkt
Der 55-jährige Nemzow war ein entschiedener Kritiker der russischen Ukraine-Politik. Er soll an einem Bericht über die Beteiligung Russlands am Krieg in der Ostukraine gearbeitet haben.
Durizkaja sagte dem Sender Doschd, am vergangenen Freitag habe es keine konkreten Hinweise auf eine unmittelbare Gefahr gegeben. In der Tatnacht habe sie nicht gesehen, woher die Angreifer gekommen seien. Sie habe aber ein helles Auto bemerkt, das schnell wegfuhr. Dann sei sie sofort zur Vernehmung gebracht worden.
Nemzow wird an diesem Dienstag in Moskau beigesetzt. Sein Leichnam soll zunächst im Moskauer Andrej-Sacharow-Zentrum für Menschenrechte aufgebahrt werden, danach ist die Beisetzung auf einem Friedhof der russischen Hauptstadt geplant. An der Trauerfeier nehmen auch der deutsche Botschafter und der Russlandkoordinator der Bundesregierung teil.
Polen schickt keine offiziellen Vertreter, nachdem der polnische Senatspräsident und ehemalige Bürgerrechtler Bogdan Boruszewicz nicht zu dem Begräbnis zugelassen wurde. Borusewicz warf nach der Einreiseverweigerung Präsident Wladimir Putin vor, das Land in Richtung Diktatur zu führen. "Das ist zweifellos ein autoritäres System, das auf eine Diktatur zugeht", sagte er dem polnischen Fernsehsender TVN24. "Die russischen Behörden fürchteten, meine Anwesenheit in Moskau zerstört die Darstellung, dass Polen antirussisch ist", sagte Borusewicz. "Meine Reise sollte ein Zeichen sein, dass Russland für uns nicht nur Putin ist, sondern auch Sacharow, Nemzow, Kowaljow."
Quelle: ntv.de, ghö/AFP