"Europa ist irrelevant geworden" Netanjahu teilt gegen europäische Staatschefs aus
05.10.2025, 21:54 Uhr Artikel anhören
Europa "hat enorme Schwäche gezeigt", sagte Netanjahu.
(Foto: picture alliance/dpa/Pool Reuters)
Mehrere westliche Staaten haben kürzlich Palästina als Staat anerkannt, um die Zweistaatenlösung zu unterstützen. Israels Premier Netanjahu sieht darin vor allem die Schwäche der Regierungen und eine "Belohnung" für die Hamas. Mit scharfen Worten kritisiert er Europa - und lobt gleichzeitig US-Präsident Trump.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat europäischen Spitzenpolitikern Schwäche im Umgang mit islamistischem Terror vorgeworfen. Mit Blick auf den jüngsten Friedensplan von US-Präsident Donald Trump für den Gazastreifen sagte Netanjahu im Gespräch mit dem Sender Euronews, Europa habe anders als Trump in der Nahost-Frage einen falschen Weg eingeschlagen.
Einige europäische Staaten hätten "im Grunde dem palästinensischen Terrorismus und radikalen islamistischen Minderheiten in ihrer Mitte nachgegeben", sagte er im Kontext der jüngsten Anerkennung eines palästinensischen Staates durch führende westliche Länder wie Frankreich, Großbritannien, Belgien und Kanada. Ziel der Anerkennung war eine Stärkung der Zweistaatenlösung, deren Ziel ein friedliches Nebeneinander von Israel und einem künftigen unabhängigen palästinensischen Staat ist. Inzwischen erkennen 157 von 193 UN-Mitgliedsstaaten Palästina als unabhängigen Staat an.
Die Anerkennung Palästinas bezieht sich unter anderem auf die palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter Präsident Mahmud Abbas. Sie bedeutet keine Unterstützung für die Hamas, die als radikale Terrorgruppe unabhängig von Abbas agiert. Im Friedensplan der USA soll die PA durchaus eine Rolle spielen, sofern sie Reformen umgesetzt hat.
Die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch westliche Länder hat vor allem symbolischen Charakter und markiert eine Positionsänderung im Nahostkonflikt. Israel wird für sein militärisches Vorgehen im Gazastreifen international heftig kritisiert. Seit der Ankündigung einer Militäroffensive auf die Millionenstadt Gaza hat die Kritik noch weiter zugenommen.
Netanjahu vergleicht islamistischen Terror mit Nazi-Deutschland
Netanjahu wiederholte dagegen erneut seine Auffassung, die Anerkennung Palästinas sei "die ultimative Belohnung für die Hamas" gewesen, "nachdem sie das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust verübt hat". Damit erlaube man es der islamistischen Terrororganisation de facto, den Krieg gegen Israel fortzusetzen.
"Darum ist Europa im Grunde irrelevant geworden - es hat enorme Schwäche gezeigt", sagte der israelische Regierungschef weiter. In Abwandlung eines Zitats, das dem früheren britischen Premierminister Winston Churchill mit Blick auf die Beschwichtigungspolitik gegenüber Adolf Hitler zugeschrieben wurde, sagte Netanjahu: "Füttere das Krokodil nicht, denn nachdem es Israel oder ein anderes Land, das sich ihm in den Weg stellt, verschlungen hat, wird es auch dich angreifen." Er sagte weiter: "Wenn ihr den Terror bekämpfen wollt, steht auf und bekämpft ihn entschieden, kapituliert nicht vor seinen Forderungen."
Anders als europäische Politiker habe Trump einen "realistischen Friedensplan vorgestellt, der terroristische Elemente ausschaltet". Er hoffe auf ein Umdenken in Europa, wo es schon kurz nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 Massendemonstrationen gegeben habe, auf denen Hamas-Unterstützung gezeigt worden sei.
"Könnte in der Tat der Anfang des Kriegsendes sein"
Zu Israels Kampf gegen Irans "Achse des Widerstands", zu der auch Hamas gehört, sagte Netanjahu: "Wir kämpfen tatsächlich gegen die Barbaren, die unsere freien Gesellschaften zerstören wollen, sie wollen euch zerstören, und wir stehen an der Front, während wir von Menschen in Europa angegriffen werden, die wir eigentlich schützen".
Zu den neuen Waffenruhe-Gesprächen in Ägypten sagte er, sollte die Hamas wirklich der Freilassung der Geiseln zustimmen, "dann könnte dies in der Tat der Anfang des Kriegsendes sein". Jeder verstehe, "dass die Herrschaft der Hamas am Ende ist". Die Terrororganisation dürfe nicht zurückkehren, "um Gaza zu regieren, seine Bevölkerung mit ihrem Terrorregime zu quälen und Israel mit Raketen zu terrorisieren".
Seit Beginn des Gaza-Krieges kommt es weltweit zu Demonstrationen zur Unterstützung der Palästinenserinnen und Palästinenser. Dabei richtet sich die Kritik vor allem gegen die israelischen Militäreinsätze im Gazastreifen und die vielen zivilen Opfer. Es werden zwar mitunter auch Hamas-Unterstützer oder antisemitische Parolen festgestellt, diese werden jedoch zumindest in Deutschland strafrechtlich verfolgt. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle zielen die Proteste darauf ab, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu beenden.
Mitte September warf eine von der UNO eingesetzte Kommission Israel vor, im Gazastreifen einen "Völkermord" zu begehen. Die israelische Regierung nannte den Untersuchungsbericht "verzerrt und falsch". Der Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) hatte im November vergangenen Jahres wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg Haftbefehl gegen Netanjahu und seinen damaligen Verteidigungsminister Joav Gallant erlassen.
Quelle: ntv.de, uzh/dpa/AFP