Enge Abstimmung mit Opposition Französischer Premier Lecornu: "Es wird Brüche geben müssen"
10.09.2025, 15:45 Uhr Artikel anhören
Ex-Premier Bayrou (l) muss sein Amt für Lecornu (r) räumen.
(Foto: picture alliance / abaca)
Sébastien Lecornu hat die schwierige Aufgabe, das gespaltene französische Parlament zu einen. Der Mitte-Politiker fasst sich in seiner Antrittsrede kurz. Aber er macht deutlich, dass er einiges anders machen will als seine Vorgänger. An die Bevölkerung gerichtet verbreitet er Zuversicht.
Frankreichs neuer Premierminister Sébastien Lecornu hat Veränderungen in Aussicht gestellt. "Es wird Brüche geben müssen und nicht nur in der Form, nicht nur bei der Methode, auch inhaltliche Brüche", sagte er bei der Amtsübergabe in Paris. Man müsse die Kluft zwischen der politischen Situation und den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger beenden. Dafür müsse man sich auch ändern. Man müsse kreativer, teils technischer sein und ernsthafter in der Art, mit der Opposition zu arbeiten. Genauer ging er nicht auf die von ihm gewünschten Veränderungen ein.
An die Bevölkerung gerichtet, sagte Lecornu: "Wir werden es schaffen." Es gebe "keinen unmöglichen Weg". Der neue Premier hielt sich in seiner Antrittsrede äußerst kurz. "Diese Instabilität und die politische und parlamentarische Krise, die wir erleben, erfordern Bescheidenheit und Zurückhaltung", sagte er. Noch im Tagesverlauf wolle er sich mit Vertretern von Parteien zusammensetzen, sagte Lecornu. Weitere Treffen mit Politikern und Gewerkschaften sollten folgen.
Lecornu steht vor der schwierigen Aufgabe, Mehrheiten im gespaltenen französischen Parlament zu finden. Macrons Mitte-Kräfte, die Rechtsnationalen um Marine Le Pen und das linke Lager stehen sich in der Nationalversammlung als drei große Blöcke gegenüber. Eine Mehrheit hat keiner von ihnen. Die letzten zwei Vorgänger von Lecornu scheiterten bei einem Misstrauensvotum beziehungsweise der Vertrauensfrage an fehlendem Rückhalt in der Parlamentskammer.
Der 39-Jährige war zuvor Verteidigungsminister. Er kommt ursprünglich von den Konservativen, gehört aber seit Jahren dem Mitte-Lager an, und gilt als Vertrauter des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Dieser trug ihm auf, sich mit den Parteien zu beraten, um einen Konsens mit Blick auf den Haushalt zu erreichen. Erst im Anschluss daran solle er dem Präsidenten eine neue Regierung vorschlagen. Die bisherige Regierung bleibt bis dahin geschäftsführend im Amt.
Die Bundesregierung beglückwünschte Lecornu zum Amtsantritt. Bundeskanzler Friedrich Merz habe Ende August beim Deutsch-Französischen Ministerrat noch mit ihm in seiner damaligen Rolle als Verteidigungsminister gesprochen, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. "Eine starke deutsch-französische Partnerschaft und ein starkes, geeintes Europa sind unsere beste Antwort auf die aktuellen politischen Herausforderungen", fügte er hinzu.
Mit der Ernennung eines Politikers aus seinem eigenen Lager ignorierte Macron erneut Forderungen der linksgrünen Opposition, einen der ihren zum Regierungschef zu ernennen. Das linksgrüne Wahlbündnis war bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2024 auf den ersten Platz gekommen.
Sozialistenchef Olivier Faure schloss aus, dass Mitglieder seiner Partei Ministerämter übernehmen würden. Lecornu ist auf die Unterstützung der Sozialisten angewiesen, wenn er den Haushalt 2026 fristgerecht durch das Parlament bekommen will.
Lecornu hatte sich mit der Organisation landesweiter Debatten zur Beilegung der Gelbwesten-Proteste 2019 einen Namen gemacht. Diese Erfahrung könnte ihm bei den nun anlaufenden Protesten gegen die Regierung nützlich sein. Als Verteidigungsminister hat er in den vergangenen Jahren deutlich an Statur gewonnen, nicht zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs und seiner engen Zusammenarbeit mit seinem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius.
Am Vorabend hatte der bisherige Premierminister François Bayrou eine von ihm selbst eingeleitete Vertrauensabstimmung verloren. Hintergrund war ein Streit über von Bayrou geplante Sparmaßnahmen in Höhe von 44 Milliarden Euro. Insbesondere sein Vorschlag, als Sparmaßnahme zwei Feiertage zu streichen, hatte Unmut in weiten Teilen der Gesellschaft ausgelöst.
Frankreich kommt politisch seit geraumer Zeit nicht zur Ruhe: Lecornu ist inzwischen der siebte Premierminister seit Macrons Amtsantritt 2017 und der dritte seit den vorgezogenen Neuwahlen im Jahr 2024.
Quelle: ntv.de, raf/jwu/dpa/AFP