Neues Futter für Flügelkämpfe Mamdani ist nun Teil des "Bürgerkriegs" der US-Demokraten
05.11.2025, 06:31 Uhr Artikel anhören
Bernie Sanders, Zohran Mamdani und Alexandria Ocasio-Cortez gemeinsam beim Bürgermeisterwahlkampf in New York.
(Foto: IMAGO/Pacific Press Agency)
Vor einem Jahr verlor Kamala Harris die US-Präsidentschaftswahl für die Demokraten, seither macht Donald Trump praktisch, was er will. Die Oppositionspartei ist in Fraktionen zersplittert und führungslos - noch.
Einer aus der vermeintlichen politischen Mitte brachte es in Brooklyn auf den Punkt. "In der Demokratischen Partei herrscht Bürgerkrieg", sagte Andrew Cuomo, Ex-Gouverneur des Bundesstaats und Kandidat für das New Yorker Bürgermeisteramt, in der vergangenen Woche während seines Wahlkampfendspurts: "Die extreme radikale Linke, zu der Mamdani gehört, befindet sich im Grunde im Krieg mit den gemäßigten Demokraten, zu denen ich gehöre." Der Kampf um das Rathaus in der größten Stadt der USA gehöre zu diesem Krieg. Und den hat der linke Flügel nun gewonnen: Zohran Mamdani wird Bürgermeister von New York.
Vor einem Jahr wählten die Vereinigten Staaten ihren Präsidenten und brachten Donald Trump erneut ins Weiße Haus. Sie versagten den Demokraten - insbesondere wegen Inflation und Alltagssorgen unter Joe Biden - und deren Kandidatin Kamala Harris weitere vier Jahre im Weißen Haus. Auch der Kongress ist seither in republikanischer Hand. Die Opposition gegen Donald Trumps Bulldozer-Präsidentschaft hat viel mit sich selbst zu tun - und zudem ein veritables Problem, ihre Botschaften an die Wähler zu bekommen.
Dieses Problem hatte Mamdani offenbar nicht. Aber New York ist eine Hochburg der Demokraten mit hohem Migrantenanteil und damit ohnehin ein Sonderfall. Machen die Demokraten also alles falsch, sind zu viele von ihnen "schlafend am Steuer", wie David Hogg, ein Nachwuchsdemokrat sagte, bevor er aus dem Parteivorstand gedrängt wurde? Die ersten wichtigen Wahlen nach Trumps Sieg geben ein anderes Signal.
"Sie warten standardmäßig darauf, dass Trumps Handlungen in der Wählerschaft wirken", sagt Robert Shapiro, Politikwissenschaftler an der Columbia University. Historisch gesehen sei das Abwarten eine gute Strategie, da bei den Zwischenwahlen mit der Regierungspartei abgerechnet werde und die Opposition hinzugewinne: "Die öffentliche Meinung zu Einwanderung und anderen Themen hat sich bereits umgekehrt."
Vorwürfe an alte Garde
Tatsächlich sind die Zustimmungswerte für Trump historisch schlecht. Die Wirtschaft ist das mit Abstand wichtigste Thema für die Wähler. Kurz nach seinem Amtsantritt hatten die US-Amerikaner mehrheitlich eine positive Sicht auf Trumps Herangehensweise. Doch in den ersten zehn Monaten hat er enorm viel Vertrauen verspielt und ist auf breiter Themenfront ins Minus gerutscht. Die schlechtesten Werte erhält Trump bei Inflation und Preisen sowie Arbeitsplätzen und Wirtschaft, stellte eine Umfrage von YouGov für den "Economist" fest. Nun fragt sich, wie die oppositionellen Demokraten damit umgehen werden.
Linke Demokraten machen angesichts der rabiaten Vorgehensweise des Weißen Hauses Druck und fordern schon seit Monaten mehr Engagement von der Partei, zeigen mit dem Finger insbesondere auf den Flügel der traditionellen Demokraten im Kongress. Der unabhängige linke Senator Bernie Sanders, der zur linken Fraktion der Partei im Senat gehört, nannte die Führung "völlig realitätsfern" und "wahrscheinlich eher bereit, mit der Titanic unterzugehen", als etwas Neues zu versuchen.
Sanders und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez sind die bekanntesten Köpfe des linken Flügels. Seit Monaten gehen sie im ganzen Land vor vollen Hallen unter der Überschrift "die Oligarchie bekämpfen" (Fight Oligarchy) auf die Bühne. Sie haben auch Mamdani im Wahlkampf unterstützt. Dessen Wahlsieg könnte ihre Forderungen auf nationaler Ebene stärken, zumindest zum Teil.
"Die Frage ist, wofür die Demokraten stehen wollen", meint Politikwissenschaftler Shapiro. Sie hätten Gleichstellungsthemen zu sehr in den Fokus gerückt. Mit der Folge, "nicht mehr die Partei zu sein, die am sensibelsten für die alltägliche wirtschaftliche Notlage der Menschen ist". Nur weil die Wahl in New York diese Frage im großen Stil an die Demokraten gestellt hat, habe sie solche nationale Bedeutung bekommen. Dabei gehe es aber vor allem um die Art des Wahlkampfs, der Mobilisierung junger Wähler, und nur bedingt um Inhalte.
"Bedrohung des Establishments"
Die demokratische Partei befindet sich aber nicht nur im "Bürgerkrieg" zwischen traditionellen Demokraten und Linken, sondern auch mit einer neuen Strömung innerhalb der Partei, deren Ziel "Überfluss" (Abundance) statt Regulierung ist. "Abundance Democrats" meinen wie die Republikaner, für mehr Wachstum brauche es weniger Hindernisse. So sollen etwa die Verbraucherpreise sinken und auch die Fortschritte bei Erneuerbaren Energien vorangetrieben werden.
"Zukünftig müssen die Demokraten mehr sein als nur die Anti-Trump-Partei", so Shapiro, und die alte Arbeiterbasis der Partei überzeugen. Die Auswirkungen von Trumps Politik könnten den Demokraten dabei helfen - etwa dann, wenn im kommenden Jahr für Millionen Menschen wegen Trumps Gesetzespaket "Big Beautiful Bill" die Krankenversicherungskosten steigen oder sie ihre Gesundheitsversorgung gar ganz verlieren.
Erschwinglichkeitskrise als Schlüsselthema
Am Sonntag saß Trump bei einem Interview und wurde zur Inflation befragt. "Es gibt keine Inflation", behauptete der Präsident fälschlicherweise, "die Lebensmittelpreise sind unten". Offizielle Daten belegen das Gegenteil. Die Erschwinglichkeitskrise, die unter dem Demokraten Joe Biden begann und einer der Gründe ist, warum Trump überhaupt im Weißen Haus sitzt, setzt sich fort. Trump hatte im Präsidentschaftswahlkampf versprochen, unter ihm würden die Preise sinken. Das ist bislang nicht geschehen.
Welche Bedeutung das hat, macht der Fall Mamdani deutlich. Der gewann seine Wahl in der teuersten Stadt der USA mit einem Wahlkampf zum Thema Lebenshaltungskosten. Aber nicht nur die Wahl in New York, einer ungefährdeten Hochburg der Demokraten, sondern auch die Gouverneurswahlen der Bundesstaaten New Jersey und Virginia geben Hinweise darauf, wo die Demokraten ihre Mehrheit finden könnten: Beide Wahlsiegerinnen zählen zu den gemäßigten Politikern der Partei.
"Eine der Lehren ist, dass sie charismatische Anführer mit linken Positionen aufstellen müssen, solange sie Anzug und Krawatte tragen", so Shapiro. Neue Köpfe fehlen den Demokraten bislang, um sie in den Präsidentschaftswahlkampf 2028 zu führen. Doch je näher die Kongresswahlen 2026 rücken, desto klarer zeigten sie sich, so der Politikwissenschaftler: "Danach kommen sie aus dem Unterholz".
Quelle: ntv.de