"Ich schreibe als Geisel" Nigers Präsident appelliert an Weltgemeinschaft
04.08.2023, 04:23 Uhr Artikel anhören
Mohamed Bazoum wurde in seinem Amtssitz festgesetzt.
(Foto: IMAGO/UPI Photo)
Der demokratisch gewählte Präsident des Niger meldet sich aus dem Hausarrest. In einem Zeitungsbeitrag warnt er vor den Folgen des Militärputsches über sein Land hinaus. Die neue Junta droht derweil den westafrikanischen Nachbarn und entzieht Botschaftern die Mandate.
Gut eine Woche nach dem Staatsstreich im Niger hat der festgesetzte Präsident des westafrikanischen Landes, Mohamed Bazoum, einen dringenden Appell an die Weltgemeinschaft gerichtet, die "letzte Bastion des Respekts für Menschenrechte" im Sahel zu retten. "Dieser versuchte Putsch ist eine Tragödie für Nigrer, doch sein Erfolg hätte verheerende Folgen weit über unsere Grenzen hinaus", warnte Bazoum in einem Gastbeitrag für die "Washington Post".
Der demokratisch gewählte Bazoum war vergangene Woche im Niger von Offizieren der Präsidialgarde festgesetzt und für entmachtet erklärt worden. Der Kommandeur der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz darauf setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso seit 2020 war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde.
Er schreibe als Geisel, so Bazoum in der "Washington Post". "Der Niger wird von einer Militärjunta angegriffen, die versucht, unsere Demokratie umzustürzen, und ich bin nur einer von Hunderten Bürgern, die willkürlich und illegal eingesperrt worden sind", schrieb der Präsident. Der Staatsstreich gegen seine Regierung habe keinerlei Rechtfertigung. Sollte er gelingen, werde er Folgen für die gesamte Welt haben.
Seine Regierung sei 2021 in demokratischen Wahlen an die Macht gekommen. Jeder Versuch, eine rechtmäßige Regierung zu stürzen, müsse gestoppt werden, so Bazoum. Er rufe nun die US-Regierung und die gesamte Weltgemeinschaft dazu auf, seinem Land bei der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung zu helfen, schrieb Bazoum weiter. Nur durch die Verteidigung gemeinsamer Werte wie Demokratie und Respekt für die Rechtsstaatlichkeit könne es Fortschritte im Kampf gegen Armut und Terror geben. Sein Land befinde sich an einem Wendepunkt seiner Geschichte.
Ultimatum läuft in drei Tagen aus
Die Militärjunta hat derweil die nigrischen Botschafter in vier Ländern abgesetzt. "Die Funktionen der außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Niger" in Frankreich, Nigeria, Togo und den USA "sind beendet", sagte einer der Putschisten in einer Fernsehansprache. Die Junta erklärte zudem, sofort auf jede "Aggression" durch westafrikanische Länder zu reagieren. "Jede Aggression oder versuchte Aggression gegen den Staat Niger wird eine sofortige und unangekündigte Antwort der nigrischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte auf eines der Mitglieder (...) nach sich ziehen", hieß es. Davon ausgenommen seien "befreundete Länder", betonte der Putschist mit Blick auf die Nachbarländer Burkina Faso und Mali.
Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) hatte als Reaktion auf den Staatsstreich eine Wirtschaftsblockade gegen den Niger angeordnet und gefordert, den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum innerhalb von sieben Tagen wieder einzusetzen. Dieses Ultimatum läuft am Sonntag aus. Die Staaten erklärten, sie seien bereit, als "letzte Option" militärisch einzugreifen, sollten Verhandlungen scheitern.
Bundeswehr bringt 30 Menschen nach Deutschland
Die Bundeswehr hat inzwischen rund 30 Personen aus dem Niger ausgeflogen, die Maschine ist in der Nacht im niedersächsischen Wunstorf gelandet. Beim Großteil der Ausgeflogenen soll es sich dem "Spiegel" zufolge um Bundeswehrsoldaten handeln, nach Informationen der dpa sollen aber auch zehn europäische Zivilisten an Bord gewesen sein.
Die Bundeswehr betreibt einen Lufttransportstützpunkt in Niamey, der das zentrale Drehkreuz für die Bundeswehr in Westafrika und wichtig für den laufenden Abzug aus dem benachbarten Mali ist. Dort waren zuletzt mehr als 100 deutsche Soldaten stationiert. Nach dem Staatsstreich vergangene Woche hatte die Bundesregierung auf eigene Evakuierungsflüge verzichtet. Rund 60 deutsche Staatsangehörige wurden mit französischen Maschinen außer Landes gebracht. Die Evakuierungsaktion der Franzosen wurde nach fünf Flügen für beendet erklärt.
Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa