Register hilft bei Impfpflicht Noch eine Sache, die Italien bei Corona besser macht
11.01.2022, 17:48 Uhr
Die Benutzung von Zügen, Bahnen und Freizeiteinrichtungen ist Ungeimpften und Nicht-Genesenen in Italien untersagt.
(Foto: picture alliance/dpa/ANSA via ZUMA Press)
In Italien gibt es bereits seit Mai 2021 eine Impfpflicht für medizinisches Klinikpersonal, ab 1. Februar gilt sie für alle über 50. Durchsetzbar ist dies, weil das Land schon zu Beginn der Pandemie ein Impfregister aufgebaut hat.
Von außen betrachtet ist Deutschland manchmal ein seltsames Land. In der Pandemie profiliert sich die Bundesrepublik vor allem als Weltmeister im Selbstzerlegen. Jüngstes Beispiel: Der Streit um ein nationales Impfregister, das es bislang bekanntlich nicht gibt. Ohne Impfregister aber ist die von der Bundesregierung geplante Impfpflicht kaum wirksam zu kontrollieren.
Wieder einmal macht Italien es besser. Hier gibt es längst ein nationales Impfregister, schon seit Beginn der Impfungen Anfang 2021. Und es funktioniert reibungslos.
Dabei achten die Italiener nicht weniger auf den Datenschutz als die Deutschen, vor allem, wenn es ums Finanzielle geht. Denn der Datenschutz wurde in der Vergangenheit gerne genutzt, um allfällige Steuern zu vermeiden, besser gesagt: zu hinterziehen. Italien war über Jahrzehnte im EU-Vergleich das Land der Rekord-Steuerhinterziehung.
Das hat sich längst geändert. Als die Regierung in Rom sich die Frage stellte, wie ein Impfregister aufgebaut werden sollte, war sofort klar: Das kann nur die staatliche Agentur SOGEI machen, die bereits den Kampf gegen die Steuerhinterziehung erfolgreich organisiert hat. Den meisten Italienern ist das Unternehmen, das dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen gehört, völlig unbekannt, aber es ist ein Herzstück des modernen Italien. Seit dem 17. Juni 2021 werden bei der SOGEI die Daten über Impfungen, Erkrankungen, Genesungen und Tests zentral gesammelt.
"Green Pass" mit der Steuernummer
Der Hauptsitz der SOGEI befindet sich am Stadtrand von Rom hinter hohen Mauern. Das Gebäude beherbergt ein gigantisches Rechenzentrum mit mehreren unterirdischen Stockwerken. Dort lagern die Steuerdaten aller Bürgerinnen und Bürger Italiens. Seit Einführung der elektronischen Steuererklärung vor einigen Jahren haben sich die italienischen Staatseinnahmen deutlich erhöht. Gut 20 Milliarden Euro falsche Rechnungen wurden sofort aus dem Verkehr gezogen und 6 Milliarden Euro Steuern mehr einkassiert - pro Jahr.
Die SOGEI verwaltet nun auch die Corona-Akten sowie die Kontrollsoftware. Die Datenmenge ist beeindruckend. 190 Millionen Covid-19-Zertifikate, die in Italien "Green Pass" heißen, hat sie bisher ausgegeben, davon 103 Millionen nach Impfungen und 87 Millionen nach Testergebnissen oder Genesungen.
Das funktioniert so: Die Impfung - oder die erwiesene Genesung - wird von autorisiertem medizinischen Personal in ein geschütztes elektronisches Formblatt eingetragen, das mit dem regionalen Impfregister verbunden ist. Von dort geht es weiter ans nationale Register und schließlich an die nationale Plattform PNFGC bei der SOGEI. Innerhalb von maximal 24 Stunden erhalten Impflinge beziehungsweise Genesene einen Link auf das nationale Gesundheitsportal, auf dem sie sich mit der Steuernummer und der Nummer der nationalen Gesundheitskarte ausweisen müssen. Beide Nummern werden nur einmal bei Geburt oder Anmeldung vergeben, identifizieren eine Person also eindeutig.
Ungeimpfte müssen draußen bleiben
Von Anfang an ist das italienische System an das europäische "Digital Covid Certificate"-System angeschlossen. Italienische Nutzer können sich ihr Zertifikat daher in drei europäischen Sprachen aufs Handy laden oder als pdf ausdrucken. Um Missbrauch zu verhindern, müssen sich alle Personen beim Portal über eine elektronische Identität oder mithilfe des neuen Elektronischen Personalausweises CIE anmelden. Übrigens kommen in Italien auch die Knöllchen kaum noch per Einschreiben, sondern landen in der Mailbox der digitalen Identität.
Personen, die weder ein Handy noch eine Mail-Adresse haben, können den "Green Pass" an identifizierte Betreuer schicken lassen, die das Zertifikat dann ausdrucken. Wer keinen Impfpass mit QR-Code hat, muss sich zu den Ungeimpften stellen, die sich in Italien praktisch im Dauer-Lockdown befinden.
Nichtgeimpfte, die sich bis Ende 2021 noch für den Besuch von Läden, Freizeiteinrichtungen oder Einkaufszentren freitesten konnten, müssen nun draußen bleiben. Ab 1. Februar dürfen sie nicht einmal mehr in der Außengastronomie sitzen oder den Frisör besuchen. Nur Einkaufen gehen dürfen sie noch, in die Apotheke und zum Arzt. Alles strikt mit FFP2-Maske. Wer eine Postfiliale oder ein Amt betreten will, muss einen Schnell- oder PCR-Test vorweisen. Dafür gibt es einen Mini-"Green Pass", gültig für einen, maximal zwei Tage.
Ohne Impfregister keine echte Impfpflicht
Die Meldung eines positiven Testergebnisses geht natürlich auch direkt an die Rechner der SOGEI, die selbstredend auch die italienische Corona-Warn-App "Immuni" verwalten. Nach einem positiven Test erlischt die Gültigkeit des "Green Pass", bis ein Negativ-Test den Impfstatus wieder herstellt. Impfbetrug ist in diesem System zwar möglich, aber weit schwieriger als im analogen Deutschland. Bei den meisten Betrügern handelt es sich um Angehörige der medizinischen Berufe, die gegen einige Hundert Euro Impfgegnern eine Fake-Impfung verpassten, dann die Daten mit den echten Chargen-Nummern in das System eintrugen und den Impfstoff wegschmissen. Erwischt wurden bereits einige mittels einer Kontroll-Software der SOGEI, die die Einzelmeldungen von Ärzten und Impfzentren gegencheckt.
Der deutsche Justizminister Marco Buschmann sagte in der vergangenen Woche zwar bei ntv, eine Impfpflicht sei auch ohne Impfregister möglich. Aber der Vergleich, den er zog, zeigte, dass eine echte Kontrolle so kaum zu leisten wäre. "Wir gehen ja beispielsweise bei 3G im ÖPNV auch so vor", sagte Buschmann. "Wir haben dort auch kein Register, in das sich jeder eintragen muss, wenn er mit dem Bus fährt."
In Italien gibt es eine Impfpflicht für das medizinische Personal an Krankenhäusern bereits seit Mai 2021, seit dem vergangenen Herbst auch für die Angestellten der Pflegeeinrichtungen, für Schul- und Uni-Personal. Vom 1. Februar an müssen sich alle Einwohnerinnen und Einwohner Italiens über 50 Jahre impfen lassen.
Die Kontrolle darüber liegt natürlich bei der SOGEI: Per Knopfdruck kommt die Liste der Impfverweigerer. Die Strafe fürs Verweigern ohne medizinischen Grund beträgt 100 bis 1500 Euro. Das Geld wird von der Polizei direkt eingezogen oder über die Steuererklärung verrechnet. Davon kommt keiner.
Quelle: ntv.de