Politik

Impfdiskussion bei Markus Lanz Palmer für Ende aller Corona-Maßnahmen

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Die Impfpflicht würde alle weiteren Maßnahmen überflüssig machen, glaubt Boris Palmer.

(Foto: dpa)

Im Bundestag beginnt die Debatte über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, Boris Palmer hat sich schon eine Meinung gebildet: Er ist unbedingt dafür. So könnten auch alle Corona-Maßnahmen abgeschafft werden, erklärt Tübingens Oberbürgermeister bei Markus Lanz. Für die Umsetzung hat er auch schon Vorschläge.

Die Abgeordneten des Bundestages werden am Mittwochnachmittag zum ersten Mal über die Einführung einer Impfpflicht diskutieren. Beschließen wollen sie noch nichts. Das könnte theoretisch in der nächsten Sitzungswoche Mitte Februar passieren. Dann könnte auch der Scheitelpunkt der aktuellen Omikron-Welle in greifbarer Nähe liegen. Im ZDF hat am Dienstagabend Markus Lanz mit seinen Gästen unter anderem über dieses Thema diskutiert. Dabei machte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer von den Bündnis-Grünen einen überraschenden Vorschlag.

"Ich habe jetzt die Schnauze voll"

Die Lage ist ernst. Das sieht auch Palmer so. Die PCR-Tests müssten priorisiert, Kontakte könnten nicht mehr nachvollzogen werden, ein Gericht habe auch in Baden-Württemberg die 2G-Plus-Regel im Einzelhandel gekippt, beschreibt er die Situation. "Wir brauchen jetzt etwas anderes als eine durchbürokratisierte Einzelfallregelung, die absurde Auswüchse erzeugt", sagt Palmer. "Ich habe jetzt die Schnauze voll!" Er wolle nicht mehr länger mit Bürokratismen geplagt werden. Er habe in seiner Stadt Unternehmer, die etwas schaffen wollten. "Wir brauchen jetzt eine andere Lösung", fordert Palmer.

Ein erster Schritt sei dabei die Impfpflicht. Sie würde die Grundimmunisierung der Bevölkerung sicherstellen. Dann würde es keine Überlastung der kritischen Infrastruktur mehr geben, und es gäbe auch keinen Grund mehr für die aktuellen Grundrechtseingriffe. Palmer: "Darum finde ich es absolut logisch zu sagen: Wir vergessen alle alten Regeln. Die ersetzen wir durch eine einzige Regel: Alle müssen geimpft sein. Das versteht jeder, und dann wird das auch passieren."

Mit zwei oder drei Impfungen sei der Schutz vor einer Hospitalisierung da, so der Grünen-Politiker weiter. Eine Impfpflicht für Menschen ab 50 reicht seiner Ansicht nach völlig aus. 90 Prozent der Corona-Patienten in den Krankenhäusern seien 50 Jahre und älter. Die Impfpflicht solle jetzt möglichst schnell kommen, fordert Palmer. Zwei oder drei Monate später könne man sehen, wie sie wirke. Dann könne Schluss mit allen Maßnahmen sein. "Dann können wir wieder normal leben."

Auch was die Kontrolle angeht, weiß Palmer Rat: Entweder mache man Stichproben unter der Bevölkerung, wie es Österreich plane. Oder man könne auf das Einwohnermelderegister zugreifen. "Dann bekommen alle Menschen einen Brief: Wir haben jetzt eine Impfpflicht, in vier Wochen benötige ich Ihren Impfnachweis." Wer sich nicht an die Anweisung hält, müsse mit einem Musterverfahren rechnen. "Die Stadt Tübingen mit 90.000 Einwohnern regelt so 140.000 Verkehrsverstöße. Wenn jetzt noch 5.000 dazukommen, brauche ich nicht mal neues Personal einzustellen", erklärt Palmer.

Man könne eine Impfpflicht umsetzen, wenn man das wolle. "Es geht darum, ob man den Willen aufbringt, den Menschen, die dagegen aufbegehren, zu sagen: Das ist jetzt keine private Entscheidung mehr, sondern eine Pflicht. Diese Pflichterfüllung muss jetzt auch mal klar in ein Gesetz geschrieben werden. Dann kommen wir raus aus der Pandemie."

"Wir brauchen einen Paradigmenwechsel"

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther ist verhalten begeistert, was für einen Norddeutschen schon allerhand bedeutet. "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel", sagt er. "Ich würde da mitmachen, wenn man sagt, eine Impfpflicht ersetzt die ganzen Maßnahmen", so der CDU-Politiker weiter. Günther weist jedoch darauf hin, dass man auch in Zukunft bis zu zwei Impfungen pro Jahr gegen neue Virus-Mutanten benötigen werde. Er spricht sich außerdem für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen aus.

Skeptisch ist der Virologe Hendrik Streeck. Er ist sich nicht sicher, ob eine Impfpflicht in Deutschland überhaupt nötig ist. "Wir impfen jetzt gegen eine Variante, die es praktisch gar nicht mehr gibt", sagt er. Für ihn sind aktuell drei Schritte wichtig: Impf- und Genesenenstatus sollten gleichlang sein. Ferner müsste man in Zukunft auch Antikörper als Nachweis für den Genesenenstatus akzeptieren. Und es brauche eine Studie, um herauszufinden, wie viele Menschen aktuell eigentlich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt seien. "Da haben wir keine Ahnung. Wir wollen eine Impfschutzquote erreichen, wissen aber gar nicht, wie viele Leute diesen Schutz schon haben", so der Virologe.

Ob Palmer, der nicht auf der Liste der Grünen für die Oberbürgermeisterwahl in Tübingen kandidieren will, mit seinen Vorschlägen wirklich Anklang findet, ist völlig unklar. Fakt ist auf jeden Fall: Ein derart klares Ausstiegsszenario hat bisher noch kein anderer Politiker zu fordern gewagt. Der Vorschlag könnte ihm auf jeden Fall viele Wählerstimmen einbringen, wenn er sich dazu entschlösse, erneut für die Wahl zum Tübinger Oberbürgermeister zu kandidieren - als unabhängiger, überparteilicher Kandidat.

Quelle: ntv.de

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