Politik

Spanische Partei kompromisslos Podemos marschiert in die Sackgasse

Errejón sitzt nun hinter Iglesias - der kämpft von der ersten Reihe für eine bessere Welt.

Errejón sitzt nun hinter Iglesias - der kämpft von der ersten Reihe für eine bessere Welt.

(Foto: dpa)

Spanien schöpft nach jahrelanger Krise wieder Hoffnung. Der zarte Aufschwung kommt der Regierung Rajoy zugute, die Protestpartei Podemos steckt dagegen in einem Dilemma.

So langsam kehrt Normalität ein in Spanien. Es gibt seit einigen Monaten wieder eine Regierung, die Wirtschaft erholt sich und viele junge Leute kommen nach Jahren im Ausland wieder zurück. Es scheint so, als bewähre sich die strenge Sparpolitik, die Ministerpräsident Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP) verfolgt. Das Schlimmste ist überstanden, diese Botschaft verbreitet dieser unermüdlich. Die Anhänger der linken Protestpartei Podemos müssen dabei von der Oppositionsbank zuschauen und mitansehen, wie der zarte Aufschwung die Proteststimmung im Land abflauen lässt.

Dabei sollten die Neuwahlen im vergangenen Sommer die große Wende bringen. Statt die Konservativen zu überholen, kam Podemos gemeinsam mit dem Bündnispartner Izquierda Unida aber erneut nur auf gut 20 Prozent der Stimmen und blieb damit dritte Kraft hinter Konservativen und Sozialisten (PSOE). Der atemberaubende Aufstieg der Graswurzelbewegung war damit erst einmal beendet.

Bild aus vergangenen Tagen: Errejón (l.) und Iglesias bei einer Parteiveranstaltung im Juni 2016.

Bild aus vergangenen Tagen: Errejón (l.) und Iglesias bei einer Parteiveranstaltung im Juni 2016.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Abgeordneten mischten aber immerhin den Parlamentsbetrieb auf wie einst die Grünen in Deutschland. Das Land staunte, als eine Abgeordnete mit ihrem Baby auf dem Arm auf ihrem Parlamentssitz Platz nahm. Zudem gewöhnten die Bürger sich an Pullover tragende Abgeordnete und den Pferdeschwanz des Parteiführers Pablo Iglesias. Eine Koalition mit den Sozialisten kam weder vor noch nach den Neuwahlen zustande. Stattdessen gab die PSOE ihre Blockade gegen Ministerpräsident Rajoy auf und tolerierte seine Minderheitsregierung.

Partei droht Spaltung

Iglesias rollte darüber mit den Augen, da er im konservativen Regierungschef den großen gemeinsamen Gegner sah. Allzu viel Zeit, sich darüber zu ärgern, hatte er aber nicht, denn seine eigene Partei bewegte sich da bereits auf einen Abgrund zu. Es drohte die Spaltung – dabei ging es um die Frage, die jede linke Bewegung über kurz oder lang beantworten muss. Folgt man der reinen Lehre oder setzt man pragmatisch auf Kompromisse? Für Podemos ging es um die Frage, wie viel Zugeständnisse die Partei den Sozialisten macht. Denn die beäugen die neue Partei misstrauisch und bleiben auf Distanz – bei aller Sympathie für manche Programmpunkte. In erster Linie ist Podemos für sie eine Konkurrenz im linken Lager.

Insofern dürfte das ein oder andere PSOE-Mitglied in den vergangenen Wochen genüsslich zugeschaut haben, wie die Parteiflügel von Podemos miteinander rangen. Ein Macht- und Richtungskampf erschütterte die Partei. Herausforderer Iglesias' war der erst 34-jährige Íñigo Errejón, der als "Número 2" der Partei galt. Nach dem Parteitag in diesem Monat ist er nun auf dem politischen Abstellgleis. Er vertrat die Pragmatiker, diejenigen also, die für eine Normalisierung der Partei sind und sich wünschen, dass diese im Parlament auch Bündnisse mit anderen eingeht.

Das ging Iglesias gegen den Strich. Im Wahlkampf hatte er schon Maximalforderungen wie das bedingungslose Grundeinkommen aufgegeben, doch für weitere Zugeständnisse war er nicht zu haben. Er ging stattdessen aufs Ganze – den Parteigenossen rief er vor einer Kampfabstimmung gegen Errejón zu, entweder er gewinnt und die Partei folgt ihm, oder er tritt zurück. Und siehe da, 89 Prozent der Mitglieder stimmten für ihn, sein junger Kontrahent musste sich geschlagen geben.

Ohne Iglesias geht es nicht

Das klare Ergebnis zeigt, wie wichtig Iglesias für die Bewegung ist. Der eloquente Redner ist das Gesicht der Partei. Er ist der einzige, der die linke Bewegung einen kann, die neben den nun gescheiterten Pragmatikern auch eine offen antikapitalistische Strömung beherbergt. Auch wenn er nun schon seit ein paar Jahren Spitzenpolitiker ist, umweht ihn noch immer der Geist des jungen Wilden, des Neuen und des Rebellen. Seine Analysen sind klar, sein Wissen immens, seine Lösungsansätze allerdings radikal. Aber auf ihn verzichten? Dann wäre die Partei womöglich auseinandergebrochen.

Diese Woche bemühten sich dann alle darum, ein Bild der Harmonie zu zeigen. Errejón verkniff es sich, nachzutreten und gab sich als fairer Verlierer. Allerdings muss er sich in eine neue Sitzordnung fügen. Er nimmt nun nicht mehr in der ersten Reihe seiner Fraktion neben Iglesias Platz, sondern hinter ihm – was seinem Machtverlust in der Partei geschuldet ist. Ganz vorn thront weiter der erstarkte Iglesias und kann von dort weiter gegen alles andebattieren, das nicht seinen Vorstellungen von einer besseren Welt entspricht.

Nur ist die Frage, was vom Podemos-Programm jemals umgesetzt wird, wenn die Führung Fundamentalopposition macht. Nur ein Wahlsieg mit absoluter Mehrheit, von dem man einst zu träumen wagte, wäre ein Ausweg aus dieser Sackgasse - doch der wird immer unwahrscheinlicher. Wenn sich etwas ändern soll, dann wird auch Podemos Kompromisse eingehen müssen, so wie jede andere Partei auch. Errejón dürfte nicht der Letzte gewesen sein, der sich dafür ausspricht.

Quelle: ntv.de

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