Protest gegen umstrittene Reform Polen singen für unabhängige Justiz
15.12.2017, 03:31 Uhr
Der singende Protest in Warschau.
(Foto: AP)
Mit ihrer Justizreform bringt die nationalkonservative Regierung Polens nicht nur die EU gegen sich auf, sondern auch die eigene Bevölkerung: Mit umgedichteten Weihnachtsliedern fordert sie ihren Präsidenten auf, die Änderungen außer Kraft zu lassen.
In Polen haben sich am Donnerstagabend tausende Menschen an singenden Protesten gegen die Justizreformen der nationalkonservativen Regierung beteiligt. In der Hauptstadt Warschau versammelten sich die Demonstranten mit Kerzen in der Hand vor dem Präsidentenpalast und sangen zur Melodie eines Weihnachtsliedes einen Protestsong gegen die Beschneidung der Unabhängigkeit der Justiz. Anschließend marschierten sie zum Parlament.
Die Demonstranten forderten Staatschef Andrzej Duda auf, die vom Parlament beschlossenen Justizreformen nicht durch seine Unterschrift in Kraft zu setzen. "Wir erwarten vom Präsidenten, dass er sich gegen ein Gesetz stellt, das die Verfassung verletzt", sagte eine der Organisatoren, Weronika Waszewska, in einer Rede. Auch in anderen polnischen Städten gab es singende Proteste, darunter Danzig, Posen und Stettin.
Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte gleich nach ihrer Übernahme der Regierung 2015 Reformen des Justizwesens eingeleitet, die nach Auffassung der Opposition und der EU die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung gefährden. Die EU-Kommission erwägt inzwischen harte Sanktionen gegen Polen.
Schmerzhafte Premiere
Polens neuer Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel, er rechne damit, dass die Behörde "wahrscheinlich" am Mittwoch ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages einleiten werde. Dies wäre eine Premiere im Verhältnis zu einem Mitgliedstaat. Das Verfahren kann theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU führen.
Die Kommission liegt seit Anfang 2016 mit der nationalkonservativen Regierung in Warschau im Clinch. Damals leitete Brüssel erstmals in der EU-Geschichte ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit ein, als Warschau die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Ende Juli folgte dann ein Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet.
Quelle: ntv.de, chr/AFP