Kremlchef berät mit Lukaschenko Polens Militärpräsenz ruft Putin auf den Plan
09.11.2021, 16:20 Uhr
Polen zieht an der Grenze zu Belarus auch reguläres Militär zusammen. Die Machthaber in Minsk und Moskau äußern sich besorgt und warnen vor kriegerischen Handlungen. Derweil meldet der polnische Präsident, die Lage sei unter Kontrolle. NATO-Beistand brauche Warschau derzeit nicht.
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat sich vor dem Hintergrund des Streits um Flüchtlinge an der EU-Grenze seines Landes mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin beraten. Die Präsidenten hätten "ihre Meinungen zu der Situation mit den Flüchtlingen ausgetauscht", teilte der Kreml mit. Lukaschenkos Büro erklärte, beide Staatschefs teilten "die besondere Besorgnis angesichts der Stationierung regulärer polnischer Truppen an der Grenze".
Die Lage an der belarussischen Grenze zu Polen hatte sich zuletzt deutlich verschärft. Seit Wochen kommen dort von Belarus aus Tausende Menschen vor allem aus dem Nahen Osten an, um in die EU zu gelangen. Die EU wirft Lukaschenko vor, die Menschen gezielt dorthin zu bringen und vermutet auch eine Beteiligung Russlands. Die belarussische Regierung wies die Vorwürfe zurück und warnte Polen vor "illegalen kriegerischen Handlungen" gegen die Flüchtlinge.
Polen hatte mit einer massiven Aufstockung der Zahl seiner Grenzsoldaten, der Errichtung eines Stacheldrahtzauns und der Verhängung eines Ausnahmezustands im Grenzgebiet reagiert. Auch sogenannte Pushbacks wurden legalisiert, mit denen das Stellen eines Asylantrags verhindert wird. Die russische Regierung erklärte, sie beobachte die Lage an der EU-Ostgrenze "sehr genau". "Es ist ein echtes Problem, das Belarus und Polen betrifft. Wir sind natürlich sehr besorgt", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.
Perfide Mittel
Lukaschenko steht seit 27 Jahren an der Spitze von Belarus. Weder Massenproteste wie nach der von massiven Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl im Sommer 2020 noch eine immer länger werdende Sanktionsliste aus Brüssel und Washington vermögen es bislang, den autokratischen Staatschef in Minsk in die Schranken zu weisen.
Stattdessen rächt sich der 67-Jährige nach Einschätzung westlicher Regierungen mit perfiden Mitteln - insbesondere an der EU. Diese wirft Lukaschenko vor, Flüchtlinge aus Nahost und Afrika absichtlich über die Grenzen von Polen, Litauen und Lettland in die EU zu schleusen. Er wolle auf diese Weise Vergeltung für europäische Sanktionen üben, die sich gegen Menschenrechtsverstöße in Belarus richten, lautet der Vorwurf. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezichtigte Lukaschenko beim EU-Gipfel Ende Oktober des "Menschenhandels" mit Flüchtlingen. Allein im deutsch-polnischen Grenzgebiet wurden in diesem Jahr bereits 8833 Flüchtlinge aufgegriffen, wie das Präsidium der Bundespolizei Potsdam am Montag mitteilte. Bis einschließlich Sonntag registrierte die Polizei in der ersten Novemberwoche demnach 992 unerlaubte Einreisen mit einem Bezug zu Belarus. Die Zahl steige stetig an, heißt es von der Bundesregierung.
Duda: Belarus blockiert Flüchtlinge im Grenzgebiet
Polens Präsident Andrzej Duda erhob angesichts der angespannten Lage im Grenzgebiet schwere Vorwürfe gegen Belarus. Die Migranten an der Grenze würden von belarussischer Seite blockiert, sodass sie das Gebiet nicht verlassen könnten, sagte das polnische Staatsoberhaupt. Das belarussische Regime greife die Grenze Polens und der EU auf bisher "beispiellose Weise" an, indem es Migranten de facto ins Land einlade und an die polnisch-belarussische Grenze dränge, sagte Duda weiter.
Am Montag hatte ein Sprecher der polnischen Regierung mitgeteilt, 3000 bis 4000 Migranten hätten sich nahe der polnischen Grenze versammelt. Viele von ihnen wollen nach Deutschland. Die Migranten hätten in der Nähe des mittlerweile geschlossenen Grenzübergangs Kuznica vergeblich versucht, die Zaunanlage zu durchbrechen. Duda zufolge handelte es sich um mehrere tausend Menschen - überwiegend junge Männer -, die auf offenkundige Weise von belarussischer Seite gelenkt würden. So seien die Migranten von der Straße in den Wald geführt worden, damit sie die Grenze an einer Stelle ohne Grenzübergang angreifen könnten, sagte Duda, der sich dabei auf Videomaterial berief.
Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze sei derzeit unter Kontrolle, versicherte Duda. Demnach waren ausreichend Grenzschützer, Soldaten und Polizisten vor Ort. Eine Unterstützung seitens der NATO sei zunächst nicht notwendig, sagte Duda, der angab, diesbezüglich in stetigem Kontakt mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu sein.
Quelle: ntv.de, mau/AFP/dpa