Politik

Umstrittenes Event in Gießen Polizei bei Eritrea-Festival "massiv angegriffen"

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Der Start des Eritrea-Festivals in Hessen verläuft so, wie befürchtet. Schon 2022 kam es zu Gewalt, denn den Veranstaltern wird eine problematische Nähe zum Eritrea-Regime vorgeworfen. Die Polizei ist mit Hunderten Einsatzkräften vor Ort. Einige von ihnen wurden bereits verletzt.

Gewalt, verletzte Polizisten und Sachbeschädigungen - zu Beginn des umstrittenen Eritrea-Festivals ist es in Gießen zu den von Polizei und Stadt befürchteten Ausschreitungen gekommen. "Die Kollegen wurden massiv angegriffen, Steinwürfe, Flaschenwürfe, Rauchbomben", sagte ein Polizeisprecher. 22 Einsatzkräfte seien unter anderem durch Steinwürfe verletzt worden.

Polizisten haben vor Beginn des Eritrea-Festivals in Gießen eine Gruppe von Menschen umringt.

Polizisten haben vor Beginn des Eritrea-Festivals in Gießen eine Gruppe von Menschen umringt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Im Verlauf des Nachmittags beruhigte sich die Lage wieder. Auch eine ab 14 Uhr abgehaltene Kundgebung verlief ohne weitere Zwischenfälle, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Die Polizei geleitete einige Teilnehmer der Demo nach Ende der Versammlung zu ihren Bussen. Insgesamt seien im Tagesverlauf mehrere hundert Personen kontrolliert worden. Die Polizei habe etwa 200 Personen kurzzeitig festgesetzt. Mindestens 60 Personen wurden in Gewahrsam genommen, Dutzende erhielten einen Platzverweis.

Kritiker sehen bei den Festivalorganisatoren eine Nähe zum eritreischen Regime, die gewaltbereiten Personen werden den Regimegegnern zugerechnet. Am Morgen und Vormittag war es zu Ausschreitungen gekommen. Unter anderem versuchte nach Darstellung der Polizei eine größere Personengruppe auf das Festivalgelände zu kommen. Ob auch Festivalbesucher oder Randalierer verletzt wurden, ist bislang unklar.

Die Polizei hatte sich seit Tagen auf eine Großlage in der mittelhessischen Stadt und die Anreise potenziell gewaltbereiter Gegner der Veranstaltung eingestellt. Das Festival gilt wegen seiner Nähe zur Regierung des ostafrikanischen Landes als umstritten. Bereits im August vergangenen Jahres war es bei der Vorgänger-Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen mit verletzten Besuchern und Polizisten gekommen. Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland als Veranstalter rechnete am Samstag und Sonntag mit jeweils etwa 2500 Besuchern.

Die Stadt Gießen hatte das Festival zunächst wegen Sicherheitsbedenken verboten. Dies wurde vom Gießener Verwaltungsgericht gekippt. Am Freitag bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese erstinstanzliche Entscheidung.

"Friedliche und familiäre Veranstaltung für jedermann"

Nach Darstellung des Polizeisprechers handelt es sich bei dem Festival um "eine kulturelle Veranstaltung", die die eritreische Kultur und Traditionen feiere. "Es handelt sich um eine friedliche und familiäre Veranstaltung für jedermann." Bereits im vergangenen Jahr waren jedoch Vorwürfe laut geworden, dort sollte Geld zur Unterstützung des Regimes gesammelt werden.

Der Sprecher sagte, es sei auch zum Einreißen von Absperrzäunen gekommen sowie zu Versuchen, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. So habe eine Gruppe von vermutlich rund 100 bis 150 Personen einen Zaun an den Hessenhallen - dem Veranstaltungsort - eingerissen. Die Beamten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein, ein Wasserwerfer stand bereit.

Aufgrund der zwischenzeitlich dynamischen Lage seien zusätzlich zu den mehr als 1000 Beamten, die bereits im Einsatz waren, weitere Polizisten nach Gießen gerufen worden, sagte der Polizeisprecher. Es gehe um mehrere Hundert weitere Polizisten "aus allen hessischen Polizeipräsidien, die zusätzlich nach Gießen kommen, um hier für die Sicherheit vor Ort zu sorgen". Mit Lautsprechertrupps wurde versucht, auf Personen einzuwirken, die an Absperrungen aufträten und möglicherweise versuchen wollten, diese zu durchbrechen. Auch ein Polizeihubschrauber und eine Drohne waren im Einsatz.

Autofahrer sollen Stadtgebiet weiträumig umfahren

Je nach Einsatzlage sperrte die Polizei an unterschiedlichen Stellen in der Stadt Straßen. Sie riet, das Stadtgebiet weiträumig zu umfahren, weil es "durch die ständige Verlegung von Einsatzkräften" in der Stadt zu starken Verkehrsbeeinträchtigungen komme.

Am Neustädter Tor gab es der Polizei zufolge eine Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Beteiligten. Dort sei es auch zu Drohungen gegenüber Autofahrern gekommen. Von der Heuchelheimer Brücke seien auch Gegenstände geworfen worden und Autos seien beschädigt worden. Auch Mitarbeiter eines Geschäfts in der Nähe der Hessenhallen berichteten, dass Scheiben von vorbeifahrenden Autos eingeschlagen worden seien. Man habe auch Sorgen um die eigene Sicherheit gehabt, sagte eine der Beschäftigten.

Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangen Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.

Quelle: ntv.de, ysc/fzö/dpa

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